
Opernwelt September/Oktober 2012
Editorial
Im Focus
Seid umschlungen, Millionen
Salzburgs neuer Festspielintendant Alexander Pereira setzt auf Exzellenz, Exklusivität und Expansion. Er spielt mehr als seine Vorgänger, verfügt über einen aufgestockten Etat und zählt zudem auf private Geldgeber. Das Ergebnis ist weder ein in sich geschlossener Spielplan noch gedanklich bezwingende Dramaturgie, sondern Kost für alle. «La Bohème» und «Carmen» für die einen, «Salzburg Contemporary» für die anderen. Dazwischen Raritäten wie Peter von Winters «Labyrinth», das die «Zauberflöte» fortsetzt, oder die Erstfassung von Strauss/Hofmannsthals «Aridane auf Naxos», die vor hundert Jahren uraufgeführt wurde. Klotzen statt kleckern also. Kunst und Kommerz in beharrlich animierter Zweisamkeit. Ein Weg in die Zukunft? Es steckt viel Zürich in diesem Salzburg, nicht nur weil Pereira reichlich Personal aus der Schweiz mitgebracht hat. Die Sponsoren werden umarmt, wo es nur geht. Immerhin: Für die nächsten Sommer sind Opern-Uraufführungen ankündigt von Kurtág, Dalbavie, Adès und Widmann. Und bei den diesjährigen Festspielen folgen noch Zimmermanns «Soldaten».
Klassentreffen, Akademie, Werkstatt
Drei Säulen prägen die Programmarchitektur des Festival International d’Art Lyrique d’Aix-en-Provence:
Barockoper, Mozart und neues Musiktheater. Unter Bernard Foccroulle, dem seit 2007 amtierenden Festspielintendanten, ist die Besinnung auf künstlerische Wurzeln wieder ins Zentrum des Geschehens gerückt. Die 64. Saison gab die Probe aufs Exempel: William Christie machte sich für Charpentiers Opernoratorium «David et Jonathas» stark, eine neue «Finta giardiniera» und ein neuer «Figaro» schrieben die Mozart-Pflege fort, die Uraufführung von George Benjamins zweiter Oper «Written on Skin» betonte das Bekenntnis zur Moderne. Inzwischen ist eine vierte tragende Säule hinzugekommen: die Nachwuchsförderung im Rahmen der Academie européenne de musique. Meisterklassen und Workshops sind blendend besucht, das Festival profitiert heute auf allen Ebenen vom Input junger Künstlerinnen
und Künstler.
Zeitsprünge
George Benjamins neue Oper «Written on Skin» im Grand Théâtre de Provence
N1-H1L, oder doch lieber 3T-3RN-4L?
«Der fliegende Holländer», inszeniert von Jan Philipp Gloger, dirigiert von Christian Thielemann, bei den Bayreuther Festspielen
Hier gilt's der Kunst?
Die Bayreuther Festspielleitung zeigt sich politisch unsensibel
Bayreuther Stücke
Wiederaufnahmen und Kinderoper, Provinzprobleme und ein wundes Wahnfried
Geliehene Kantilene
In Finnland werden Komponisten nach einem vielfältig ausgebauten System gefördert. Ästhetische Innovation hat sich mit neuen Opern jedoch nur selten verbunden. Umso wichtiger, was in diesem Festspielsommer passiert. In Savonlinna reanimiert man zum 100-jährigen Jubiläum zwar eine Reihe uralter Erfolgsproduktionen, setzt aber auch zwei Uraufführungen an. Eine davon ist die erste Oper überhaupt, die von einer Online Community verfasst wurde.
An der Westküste des Landes, in Kokkola, stemmen die Sopranistin Anu Komsi und der Dirigent Sakari Oramo fast im Alleingang ein Opernfestival, das sich der Moderne mit Leidenschaft widmet. Die diesjährige Uraufführung war Finnlands politischer Vergangenheit gewidmet – und ging doch darüber hinaus.
Das Ferne ganz nah
Bregenz bringt Detlev Glanerts «Solaris» zur Uraufführung und wiederholt Giordanos «André Chénier»
Medien
Bekräftigung alter Maßstäbe
Opern im Studio produziert – das ist selten geworden. Zeichnet sich mit den Neuaufnahmen von «Carmen» und «Don Giovanni» eine Trendwende ab?
Hoher Ton und Volkes Stimmen
Giovanni Simone Mayrs letzte Oper «Demetrio» und sein Oratorium «Samuele»
Märchenhaft
Massenets «Cendrillon» aus London – inszeniert von Laurent Pelly, mit Joyce DiDonato in der Titelpartie
Medien, CDs und DVDs
Aus der Balance
Valery Gergievs Londoner «Elektra»-Mitschnitt lässt viele Wünsche offen
Vom Wegesrand
Neue Recitals von Simone Kermes, Christiane Karg, Roberta Invernizzi und Sandrine Piau
Medien, Bücher
Mozarts Librettisten
Vor dem sozialen und politischen Hintergrund ihrer Zeit: Lorenzo Da Ponte und Emanuel Schikaneder in neuen Biografien
Die letzte Assoluta
Markus Thiel porträtiert das Phänomen Edita Gruberova
Interview I
«Ich musste wieder bei null anfangen»
Ein Bühnenunfall hätte sie 2011 fast aus der Bahn geworfen. Inzwischen singt Elisabeth Kulman wieder das ganze Spektrum ihres weitgespannten Repertoires – von Belcanto bis Wagner, Mahler und Strauss. Und lässt sich auf neue Abenteuer ein: Nikolaus Harnoncourt will die Österreicherin mit der rubinroten, zwischen Mezzo und Alt leuchtenden Stimme als Despina haben. Das wegen der Verletzung ausgefallene Brangäne-Debüt will sie an der Wiener Staatsoper nachholen. Ein Gespräch über Leiden und Leidenschaften, schwankende Stimmungen und fixe Ideen – und die Kunst, auf die Signale des Körpers zu hören
Panorama
Traumspiel à la Freud
Bad Ischl | Lehár-Festival | Lehár: Zigeunerliebe
Schroffe Gegensätze, zerklüftete Linien
Bad Wildbad | Rossini Festival |
Mercadante: I briganti
Rossini: Adina
Sirren und Rattern
Karlsruhe | Tüür: Wallenberg
An die Wand geklatscht
Mannheim | J. Ch. Bach: Temistocle
Koloraturen mit Gefühl
Martina franca | Festival della Valle d’Itria | Hasse: Artaserse
Auf Distanz
New York | Lincoln Center Festival | Saariaho: Émilie
Im Parkhaus
Nürnberg | Gluck-Opern-Festspiele | Gluck: Ezio
Sprachlos
Oldenburg | Kampe: Anoia
Star-Zirkus
Orange | Chorégies d’Orange | Puccini: La Bohème
Lohn der Keuschheit
Ravenna | Festival | Hindemith: Sancta Susanna
Interview II
«Ich war egoistisch»
Er war der Vorzeige-Tenor der DDR. Eine Naturbegabung, die bei den Dresdner Kruzianern unter Rudolf Mauersberger den entscheidenden Schliff erhielt. Auch als Peter Schreier längst zwischen Salzburg, Wien und New York Oper sang, blieb die «oratorische» Prägung der Stimme hörbar. Ein Gespräch über die Anfänge
in Ost-Berlin, den «Mozart-Fanatiker» Josef Krips, Wagner-Debüts unter Karajan, instrumentales Singen und eine Karriere unter realsozialistischen Bedingungen
Service
Magazin
Mitteldeutscher Mittelbarock
Boxberg-Entdeckung beim Ekhof-Festival
Immer grüne Liebe
Erlesen: Alte Musik in Beaune
Wie viele Köche verderben den Brei?
«Hoffmanns Erzählungen» im Theater an der Wien
Hoffentlich nicht zum letzten Mal...
Der 31. Wiener Belvedere-Wettbewerb
Weg damit?
Zum letzten Mal: Uraufführung beim Carinthischen Sommer
Huldigungen an den Zeitgeist
Rameau und Walshe an der Oper Stuttgart
Rosina im Wunderland
Freiluft-«Barbiere» auf Schloss Hallwyl
Blauweiß karierte Charmeoffensive
Bayerisches Singspiel-Musical auf Gut Immling
Notizen aus Aserbaidschan
Opernreise nach Aserbaidschan
Erst ein kleiner Papageno...
Opera Domani: Education-Erfolg in Italien
Apropos
... Neue Musik
Apropos ... Neue Musik: Kaija Saariaho