Theater heute Juni 2008
Foyer
«Wer vögelt, hat mehr vom Schlagen»
Der österreichische Bundeskanzler Alfred Gusenbauer hat unbedingt Recht, wenn er nach dem jahrzehntelangen Inzest-Verbrechen von Amstetten davor warnt, ganz Österreich unter Mentalitäts-Verdacht zu stellen: «Es gibt keinen Fall Österreich, sondern ein grausliches Gewaltverbrechen.» Sein Land wehre sich dagegen, «dass von einigen ausländischen Medien versucht wird, aus diesem entsetzlichen Verbrechen etwas spezifisch Österreichisches zu konstruieren».
Andererseits gibt es durchaus spezifisch Österreichisches – seine Dichter und Denker. Elfriede Jelinek hat auf ihrer Homepage (www.elfriedejelinek.com) auf den Fall Amstetten reagiert, leider alle Zitate untersagt. Stattdessen erinnern wir an dieser Stelle an das Werk des 1999 verstorbenen Werner Schwab und zitieren aus seinem ersten Stück «übergewicht unwichtig unform», abgedruckt in TH 3/1991.
Ob sich Schwab hätte vorstellen können, wie die Realität seine Groteske einholt?
Marktplatz Junge Regie
Spiel von Liebe und Zufall
Nie waren die Zeiten besser für junge Regisseure: Die Theater sind auf fast schon hysterischer Talentsuche und «buchen» von der Regieschule weg. Nie waren die Zeiten schwieriger für junge Regisseure: Wer nicht schnell Karriere macht oder ein paar Misserfolge zu viel einfährt, wird bald vergessen.
Ein Gespräch über den Markt und seine Erwartungen – und zwei Reports über Festivals, die sich dem Regienachwuchs verschrieben haben
Beim Sex und in der Kunst gibt es keinen Fortschritt
Zum fünften Mal traf sich der Regienachwuchs beim Festival «Körber Studio Junge Regie» im Hamburger Thalia in der Gaußstraße
Selbstverständlich neu
«Radikal jung», das Festival des Münchner Volkstheaters, sucht seit 2005 progammatisch nach jungen Regisseuren. In den letzten Jahren mag die Auswahl gelungener gewesen sein, in diesem Jahr war sie spannender
Aufführungen
Heimatkunde am Rhein
… und am Schauspiel Köln: Alvis Hermanis modelliert Kölner Biografien, Antonio Latella musikalisiert Goldonis «Sommerfrische», und Nuran David Calis reflektiert deutsche Nachkriegsgeschichte aus der Sicht von Migranten
Schleich di, Fremder!
Migranten aller Länder, verteidigt euch. In München erleidet Johan Simons den «Hiob»-Roman von Joseph Roth; in Köln sprechen die «Schattenstimmen» aus Zaimoglu/Senkels jüngster Monologrecherche
Zufriedenheit im Mittelmaß
Trotz Studio Brauns anarchistischen «Dorfpunks» bleibt das Hamburger Schauspielhaus unter Friedrich Schirmer lahm und lieb – eine Zwischenbilanz
Akteure
«Osteuropa kann den Westen zum Frühstück verspeisen»
Tena Stivicics Stück «Funkenflug» (der Stückabdruck liegt diesem Heft bei) spielt auf einem Flughafen, von dem man nicht wegkommt. Ein Gespräch über Migranten, den Balkan, die neunziger Jahre und Übergänge, die gar nicht aufhören wollen. «Funkenflug» eröffnet am 12. Juni das Festival NEUE STÜCKE AUS EUROPA in Wiesbaden und Mainz
Die Bereitschaft, die Kurve zu kratzen
Patrycia Ziolkowska, in Köln Karin Beiers Kriemhild, bei Fatih Akin Lotte in «Auf der anderen Seite», hat 2007 das Jahr ihres Lebens hinter sich gebracht und dürfte noch einiges vor sich haben
Chronik
Soziale Erkältungen
Dennis Kelly «Liebe und Geld»
Sympathische Selbstzweifel
Tschechow «Iwanow»
Kampf den Erzählsträngen
nach Orhan Pamuk «Schnee»
Go home
Sasa Stanisic, Suse Wächter, Tom Kühnel «Go west – Eine Familie wandert aus»
Facetten des Müßiggangs
Georg Büchner «Leonce und Lena»
Chanel forever
Anja Hilling «Nostalgie 2175»
Jeunesse prolé
Armin Petras/Carmen Wolfram nach Clemens Meyer «Als wir träumten»
Die röhrenden Kerle
Shakespeare «Macbeth» (Pfauen), Schimmelpfennig «Hier und Jetzt»
Daten
DVD-Rezension
Der blöde Mensch
Die Schauspielerin Valeria Bruni-Tedeschi hat einen Film über eine Schauspielerin gedreht, und die Schauspielerin Wiebke Puls hat ihn sich angeschaut: «Actrices»
Magazin/Hörspiel
Im halb so wilden Osten «Zeppelini»
«Zeppelini» – ein Hörspiel der litauischen Volksbühnendramaturgin Dunja Arnaszus
Magazin/Nachruf
Herzschlag der Szene
Zum Tod des Musikers und Komponisten Laurent Simonetti
Magazin
Schneider, Monroe, Deneuve
Scharfe Füße!», schwärmt Michael Weidt, ein Spätberliner mit grauer Langhaarfrisur, offensiv in die Kamera. Es wird nicht seine letzte detaillierte Verneigung vor der Schauspielerin Jenny Gröllmann bleiben, mit der er seit Schweriner Kindertagen eng befreundet war. Vorerst aber kommt Gröllmanns früherer Lebensgefährte Thomas Goguel zu Wort, um klarzustellen, dass es nicht nur die Füße waren: «Mann, hat der ’ne scharfe Braut», seien sämtliche Rekruten diagnostisch übereingekommen, als die Schauspielerin ihn in den späten Sechzigern bei der Armee besuchte.
Magazin/Festival
«Bitte ohne Schusswaffen reisen»
Das XI. Ibero-amerikanische Theaterfestival in Bogotá
Magazin
Gegenkritik: Laurent Chétouane
Laurent Chétouane macht nicht nur Kritiker blind