Theater heute August/September 2008
Foyer
Klaus Michael Grüber
Klaus Michael Grüber auf großer Griechenland-Fahrt
Festivals
Die Welt ist kleiner, als man glaubt
Rein rechnerisch gibt es so ein Festival nur alle sechs Jahre: Wenn sich der dreijährige Turnus von «Theater der Welt» mit dem zweijährigen der Neuen Stücke aus Europa trifft - und die alljährlichen Wiener Festwochen nur noch eines von drei großen internationalen Theater-Events sind.
Das Super-Schaltjahr des europäisch-globalen Gastspielgewerbes ist nicht nur eine einmalige Gelegenheit, den deutschen stadt- und staatstheatralisch geprägten Horizont zu weiten. Es stellen sich auch einige Sinn- und Zweck-Fragen noch ein bisschen deutlicher, die der sommerliche Festivalzirkus ohnehin aufwirft: Denn wozu braucht man heutzutage eigentlich noch so dringen ein «Theater der Welt», wenn sich viele städtische Bühnen wie zum Besipiel Köln längst als internationale Koproduzenten tummeln? Wenn viele der öffentlichen Bühnen also gar nicht mehr so selbstgenügsam sind, wie ihnen das Vorurteil gerne unterstellt?
Und was ist das eigentlich für ein Theater der Welt, das so ängstlich auf möglicherweise fremdenfeindliche Reaktionen in der einladenden Stadt schaut, als müsste man die Theater vor Halle schützen?
Aber gerade in kosmopolitisch versierten Orten wird die Aufgabe des Festivalmachens nicht einfacher: In der Welt von Air Berlin und Ryanair, in der jeder Billigtourist die abgelegenen Locations am Wochenende bereisen kann, macht es zunehmend weniger Sinn, Inszenierungen aus ihrem lokalen Kontext zu reißen, statt gleich eine kleine Rundreise zu organisieren.
Zeltforschung für Europa
Krisendramatik auf Nachfrage: Ein Besuch bei der Wiesbadener Biennale, Neue Stücke aus Europa, Gespräche im Zelt und die Fußball-EM als Neben- oder Hauptschauplatz
Kein Buch mit sieben Siegeln – aber vielen Möglichkeiten
Ein Gespräch über das Festivalmachen mit der Schauspieldirektorin der Wiener Festwochen, Stefanie Carp, und Manfred Beilharz, ITI-Präsident und Wiesbadener «Neue Stücke»-Erfinder
Rimini ist überall
Wiener Festwochen 2008: dokumentarisches Theater aus aller Welt und Buhrufe für den Intendanten
Klaus Michael Grüber (1941–2008)
«Klaus ist ein schöner Mensch»
Grübers zentrale Frage, so Ivan Nagel in seiner Laudatio zur Verleihung des Konrad-Wolf-Preises im Jahr 2000, sei eben nicht die Suche nach einem konsistenten Weltentwurf, einem geschlossenen ästhetischen Stil oder einem psychologischen System gewesen: «Grübers Frage kehrt alles um: Ist die Aufgabe der Kunst nicht, Lücken zu erzeugen, Löcher zu reißen in die Routine des Denkens und des Lebens, in jene komplette Welt der Erklärungen und Gemeinplätze, die wir uns kreieren, um die wahre Welt zu verfälschen, erträglich und benutzbar zu machen?»Am 23. Juni starb Klaus Michael Grüber (* 4. 6. 1941), wenige Tage nachdem er seine Proben an Salvatore Sciarrinos «Luci mie traditrici» bei den Salzburger Festspielen abbrechen und seiner Mitarbeiterin Ellen Hammer über- lassen musste. Grüber hatte in den Sechzigern bei Giorgio Strehler assistiert, war 1969 von Kurt Hübner ans Bremer Theater geholt worden und hatte ab 1972 als Vertrauter und Gegenpol von Peter Stein die Schaubühne am Halleschen Ufer, später am Lehniner Platz entscheidend geprägt. Auf den folgenden Seiten ein Nachruf von Henning Rischbieter und zwei Gespräche, die Klaus Dermutz Monate vor Grübers Tod mit Bruno Ganz und Peter Stein geführt hat.
Was wir sind, finden wir nicht
Stationen eines Werks
Fleisch vom eigenen Fleisch
«Die Begegnung mit Grüber ist das Wichtigste in meiner Theaterlaufbahn», sagt Peter Stein im Gespräch mit Klaus Dermutz über den Antipoden, Kollegen und Freund Klaus Michael Grüber
Bilanzen
Im Fremden bei sich
Am Ende von Karin Beiers erster Kölner Spielzeit ist die Stimmung in der Stadt für das Schauspiel so gut wie lange nicht
Hier kocht der Chef noch selbst
Zum Abschluss von Wolfgang Reiters Direktion des Theaters am Neumarkt in Zürich wurde das Publikum erst gedisst, dann umarmt: mit Kathrin Röggla und mit Roland Barthes
Akteure
Engel, Elfe, Gendernaut
Am Hamburger Schauspielhaus gehört Jana Schulz zu den wichtigsten Protagonisten. Das Geschlecht einer Figur ist für sie keine Grenze, sondern eine Herausforderung
«Aushalten, dass man da ist»
Ein Gespräch mit Martina Gedeck über den magischen Ort Theater, Kino in Deutschland und Amerika, Ulrich Mühe und Ulrich Wildgruber und ihre Rolle als Harper Regan
An der Schmelzgrenze
Das Londoner National Theatre hat Simon Stephens’ «Harper Regan» uraufgeführt
Chronik
Äh, irgendwie, keine Ahnung
nach Fritz Lang/Thea von Harbou «M – eine Stadt sucht einen Mörder»
Lady Mondän
Shakespeare «Macbeth»
Unsere verfickte Wut
Dirk Laucke «Silberhöhe gibts nich mehr»
Im Reich der sündigen Nabel
Calderón «Das Leben ein Traum»
Wer wird Millionär?
Ödön von Horváth «Zur schönen Aussicht»
Walk on the mild side
Roland Schimmelpfennig «Idomeneus», Polle Wilbert «Illegal»
Steinbruch Illyrien
William Shakespeare «Was ihr wollt»
Lustvoll ausgepeitscht
Lars von Trier «Manderlay»
Daten
Magazin
Ankunft im sozialen
Beim 16. Internationalen Theater Festival in Istanbul positioniert sich das türkische liberale Bürgertum – und wagt sich hinaus in die eigene Stadt
Glück der Nische
Die Entdeckung der Currywurst» könnte zuallererst zur Wiederentdeckung der Barbara Sukowa für das deutsche Kino werden. Sie spielt die Hauptrolle in Ulla Wagners Verfilmung der gleichnamigen Novelle von Uwe Timm. Dass sie das tut, ist schon eine Überraschung; denn so wenig vom Neuen Deutschen Film, oder sagen wir gleich: von Fassbinder geblieben ist, so wenig haben die Schauspieler nachgewirkt, die dieses Kino geprägt haben.
Fuck you, Hate you
Philip Seymour Hoffman führt Regie bei Stephen Adly Guirgis’ neuem Stück «The Little Flower of East Orange» am Public Theater in New York
Panoptikum der Schreckenskunst
Eine Berner «Gartenschau» mit Theaterprogramm aus Anlass des Zwischenstopps von Paul Klees «Angelus Novus»
Der Anti-Pate
Die Kunst der Aufklärung: ein Gespräch mit Mario Gelardi über seine Theaterfassung von Roberto Savianos Camorra-Buch «Gomorrha», über Wahrheit und Mythos des Verbrechens, die Stadt Neapel, den Müll und den Tod