Tanz Jahrbuch 2006
Schwerpunkt
Freiräume
Der Tanz schafft Platz. Räumt auf mit der Bühne. Findet virtuelle Orte. Geht über die Grenzen. Nimmt sich die Freiheit. Manifeste von Künstlern und Kuratoren
Abräumen
«Labyrinth» und «Pyramide» – sich verlaufen oder alles überragen. Zwei Metaphern sprechen Bände über das Verhältnis von Raumerfahren und Raumordnung. Für Johannes Odenthal sind sie zentrale Begriffe auch im Tanz
Architektur
Aufbrechen. Sprengen. Raum zerstören, bis er passt. Die besten Architekten sind ihm gerade gut genug für großes Spektakel. Thomas Hahn unterhielt sich mit Frédéric Flamand über Spiegelräume und schräge Ebenen
Bühne Bild
Bin ich der Fehler? Oder die Herausforderung? Was macht der Bühnenbildner Michael Simon (u. a. von William Forsythe und Jirí Kylián) unter Tänzern? Mit ihnen Räume bilden, sagt er im Gespräch mit Eva-Elisabeth Fischer
Dialoge
Die Tänzerin ist nicht allein. Sie ist im Raum. Anna Huber sucht sich ihn mit Vorsicht aus. Um den Widerstand des Raums zu brechen, verschmilzt sie mit der Architektur. Irene Sieben hat sie dabei beobachtet
Dunkelkammer
Der Raum ist ein Vereinigtes Königreich. Lauter Könige zeichnen Spiralen und Arabesken aus Fleisch, Gedärm und Knochen.
Hyperraum
Im Zeitalter digitaler Medien mutiert der Theaterraum zum Hypermedium. Was ist das? Ein Tanz aller traditionellen Künste, um die Kunst-Grenzen zu überwinden.
Kolonial
Raum ist in keiner Hütte. Indonesiens Choreograf Suprapto Suryodarmo über den Dualismus von Raum und Ort: Wo der Westen der Abstraktion ohne Maßstab frönt, sucht Asien nach körperlichem Maß.
Korsett
Der Raum ist ein Korsett, sonst hätte man alle Welt zur Verfügung. Es ist der Raum, nicht die Bewegung, der Widerstand erst ermöglicht, die Bewegung not-wendig macht, im Sinn von Tanz.
Licht
Mikki the Magician. Finnish lighting design wizard Mikki Kunttu works wonders with the likes of Tero Saarinen, Akram Khan, Sylvie Guillem and Sidi Larbi Cherkaoui.
Mobil werden
Raus aus dem Staatstheater. Raus aus der Kontrolle. Die Choreografen bauen sich eigene mobile Theater. Einer von ihnen ist Philippe Talard.
Musik
Musik ist ein räumliches Gebilde. Auch Musik choreografiert den Raum. Der Ton hallt nicht nur wider, er definiert auch den Raum. Gedanken der Komponistin Isabel Mundry.
Ohne Funktion
Leben in der Plastikblase: acht Meter mal neun Meter mal dreieinhalb Meter. «CC Cushion Umgebung Nr. 5: Kulturwald» nennt Paul Wenninger sein monströs aufgeblasenes Tanzpolster in Wien.
Ortlos
In unserer Gesellschaft ist es heute denkbar geworden, Kunst ohne Raum erleben zu können. Die Konsequenz: der Verlust schützender Kunsträume. Wollen wir das wirklich?
Physical
Man stelle sich vor: Der Raum, in dem die Tänzer tanzen, bewegt sich. Der Raum tanzt mit. Er ist keine stabile Grösse mehr. Die Fenster links und rechts fallen aus dem Rahmen. Die Decke wölbt sich. Der Boden dreht sich. Hiroko Tanahashi findet das wunderbar.
Radial
Radial hat System bei Jochen Sandig. Für den Tanz erobert er immer neue Orte in Berlin. Als dieses Interview entstand, waren die Pläne zu seinem neuen Radialsystem schon fertig und auf der Baustelle Hochbetrieb. Aber Sandig schwieg - auch im Interview mit Berlins grösstem Entlockvogel von tv real Peter Kees, dem Botschafter von Arkadien, einem Staat ohne Raum.
Die Raumbrille
Das Verständnis vom Raum, wie wir ihn kennen, besteht im Verhältnis unserer Wohnung mit ihren durchaus bekannten Ausmaßen zu den unbekannten Ausmaßen des Universums.
Reine Räume
Der Münchner Choreograf Micha Purucker über die Dimensionen des Raums in der Vorstellung und im Denken und warum der Raum keine leere Schachtel ist
Resonanz
Saiten, obwohl unangetastet, erzeugen die Töne mit, die andere, gerade gezupften Lauten spielen. Heute heißt dieses Wunder der Schwingungen, 1650 von Athanasius Kircher entdeckt, «sonic turn».
Revue
Eine Fotografin und ein Tänzer treffen sich in der Urform des Tanzes: der Revue als Formsprache. Raumerlebnisse und Denkanstöße sind bei WILHELM GROENER garantiert.
Teppiche
Der Garten ist ein Teppich, auf dem die ganze Welt ihre symbolische Vollkommenheit erreicht, und der Teppich ist so etwas wie ein im Raum mobiler Garten. Sagt Michel Foucault. Und Christina Ciupke tanzt darauf
Übersetzte Räume
Gerald Siegmund über die (mit-)teilenden Raumkonzeptionen von William Forsythe. Der Unterschied zwischen einem Tanz- und Theaterraum besteht vor allem darin: beim Tanz müssen sich die Zuschauer umdrehen
Virtuell
Virtuell war gestern. Der Medientheoretiker Lev Manovich hat den Begriff des «augmented space» geprägt, des «wachsenden Raums». Arnd Wesemann über seine These, wie Information den Raum erobert.