Querfronten, Zaubergesten und rasende Rituale
Auch nach hundert Jahren läuft Tschechows dramatische Familienlimousine «Drei Schwestern» noch einwandfrei auf vielen Bühnen. Trotzdem zeigt Simon Stone, dass es nicht schadet, das Dialogmaterial generalzuüberholen oder auch gleich gänzlich auszutauschen – bei gleichzeitiger Erhaltung der Karosserie.
So kommt es auf der Bühne des Basler Theaters zu kleinen Verschiebungen – aus dem Haus des verstorbenen Generals Prosorow wird eine Highend-Ferien-«Hütte», der einst soldatische Bekanntenkreis übt mittlerweile zivile Berufe aus, die Neu-Vegetarierin Irina kriegt zum Geburtstag einen Prosciuttoschneider, und Schwiegertochter Natascha übernimmt nicht nur wie im Original das Ruder, sondern luchst nach der Scheidung Ex und Familie gleich das gesamte Erbe ab. Dennoch lassen sich die vorrevolutionären Leiden der Erben – denn das sind die drei Schwestern und ihr Bruder in erster Linie – erstaunlich geschmeidig in die deutschschweizer Gegenwart übertragen.
Das hellwache Basler Ensemble spielt Figuren, die gerade in ihren Schwächen unbedingt ernstzunehmen sind: Andrejs Drogensucht, Olgas Ersatzmütterlichkeit, Maschas und Irinas Unfähigkeit, die reale Nähe ihrer Männer auszuhalten, sind bei ...
Weiterlesen mit dem digitalen Monats-Abo
Sie sind bereits Abonnent von Theater heute? Loggen Sie sich hier ein
- Alle Theater-heute-Artikel online lesen
- Zugang zur Theater-heute-App und zum ePaper
- Lesegenuss auf allen Endgeräten
- Zugang zum Onlinearchiv von Theater heute
Sie können alle Vorteile des Abos
sofort nutzen
Theater heute Mai 2017
Rubrik: Theatertreffen 2017, Seite 4
von Eva Behrendt
Der hardboiled detective ist per se ein Zwischenweltler: fast auf der Seite des Gesetzes, aber nicht ganz, sonst wäre er Polizist; fast ein Frauenschwarm, würde er den Ladies nicht mit allzu deutlicher Verachtung begegnen; fast ein Held, fast erfolgreich, fast vertrauenswürdig. Damit ist der hartgesottene Privatermittler der Pulpliteratur, des Comics und des Film...
Wie erzählt man im Theater angemessen über die Erfahrungen von Geflüchteten? Mangelndes Problembewusstsein kann man der Autorin dabei wirklich nicht vorwerfen. Im Programmheftgespräch erzählt Maxi Obexer von ihrem Bemühen, ihre Recherche unter Emigranten in Potsdam nicht als «Menschenschau» zu präsentieren, bei der «Geflüchtete quasi ausgestellt werden». Wie...
Es gibt eine Szene in Johan Simons’ Inszenierung von Theodor Storms «Schimmelreiter» am Hamburger Thalia Theater, da steht Hauke Haien (Jens Harzer) mit seiner Frau Elke (Birte Schnöink) am Deich, der Sturm tost, ein Pferdekadaver liegt an der Rampe, die Wellen rollen gegen das Ufer, man ahnt das Unheil, das sich entspinnt. Haien greift wortlos nach der Hand seiner...