Fixstern Törtchen

Elfriede Jelinek «Sonne / Luft» am Thalia in der Gaußstraße, Hamburg

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Was hat ein Himbeertörtchen mit dem Weltuntergang zu tun? Mit der Zerstörung der Erde durch die Achtlosigkeit des Menschen? Was mit der Selbstgewissheit der Sonne als allmächtigem, mythischem, unerbittlich brennendem, hoch energetischem Fixstern? Was mit dessen absolutistischem Einfluss auf Gedeih und Verderb von allem, was wächst?

In der ersten Szene von Charlotte Sprengers Inszenierung «Sonne / Luft» jedenfalls steht ein Himbeertörtchen im Fokus. An dieses scheint sich zunächst alles Gesprochene zu richten.

Gewohnt wortmächtig, gewohnt assoziativ – von hoch philosophisch bis albern kalauernd. Warum also nicht an ein Himbeertörtchen adressiert? Die ebenfalls himbeerpink kostümierten Spielerinnen sprechen also Jelinek-Textflut in Richtung Konditoreikunst. So, als sei dies das Normalste der Welt. Es sind Barbara Nüsse als Sonne, Lisa-Maria Sommerfeld als Selene und Lisa Hagmeister als Eos – also Sonne, Mond und Morgenröte, die da laut denken und unkontrolliert mit ihren Kuchengabeln zucken. Das Törtchen scheint mal die Erde, mal der Mensch zu sein. Eines jedoch ist klar: Bald wird es aufgespießt, zerstört und verschlungen werden.

Das rosarote Eingangsbild ist eines von vielen zwar ...

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Theater heute Februar 2024
Rubrik: Chronik, Seite 59
von Katrin Ullmann

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