Alternative Fakten, Reality Checks und Wahrnehmungs­verschiebungen

Die Londoner Saison mit einer Neuinszenierung von Peter Shaffers «Amadeus», Simon Stephens’ «Nuclear War», Lucy Kirkwoods «The Children», Jez Butterworth’ «The Ferryman», inszeniert von James-Bond-Regisseur Sam Mendes, und «Romeo and Juliet», hightech im Globe.

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Ab 20. Juni wieder in London: «The Ferryman»

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1979 wurde Peter Shaffers «Amadeus» auf der großen Olivier Büh­ne des National Theatre aus der Taufe gehoben. Der fiktionale Kampf um die Gunst von Joseph II. zwischen dem Wie­ner Hofkomponist Salieri und Wunderkind Mozart wanderte von hier ins West End und zum Broadway und sahnte schließ­lich als Film acht Oscars ab. Über 30 Jahre später inszeniert Michael Longhurst das Stück am selben Ort. Und setzt statt eines vielleicht etwas in die Jahre gekommenen charmant-bösewichtigen Kostümdramas einen messerscharfen, absolut heutigen Thriller auf die Bühne.

Vernichtende Missgunst gegen einen Konkurrenten, beschränktes Denken des normgebenden Umfelds, langsam wirkendes Gift des genial angesetzten Intrigenhebels.

Salieri sitzt zwischen modernen Orchesterstühlen in einem Rollstuhl an der Bühnenkante. Knabbert Dunkin’ Donuts und spricht das Publikum, die «Geister von Morgen», direkt und gerade an. Er brauche Zeugen für sein dunkles Geständnis: Er sei Mozarts Mörder. So weit, so erwartet. Bis auf die Donuts. Dann aber tut Longhurst zwei Griffe in seine konzeptionelle Trickkiste, die das Stück komplett entstauben.

Zum einen baut er mit einem wahren Versatzstückfest in seinen leeren schwarzen ...

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Theater heute Juni 2017
Rubrik: International, Seite 26
von Patricia Benecke

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