Über alle Gefühle hinweg
Kaum ein Theaterklassiker provoziert so widersprüchliche Gefühle wie Kleists Prinz von Homburg, gleichsam die preußisch-protestantische Neuauflage der altgriechischen Tragödie: Anstelle der Götter gebietet der Kurfürst über Sein oder Nichtsein.
Nachdem er den unbotmäßigen Prinzen durch das Stahlbad lutherischer Selbsterkenntnis geschickt hat, erlässt er ihm in letzter Sekunde die Todesstrafe, nur um ihn erneut als tauglichen Kampfhahn vorzuführen («In Staub mit allen Feinden Brandenburgs!») – Krieg, Krieg und nochmals Krieg, die Obsession des genial-unseligen Dichters Heinrich von Kleist.
Man begreift beim Hören bald, warum der allem Martialischen abholde Hans Werner Henze sich in die Welt dieses träumend in die Wirklichkeit geschleuderten Prinzen vertiefte. Ihn fesselten dessen Exzentrik, seine schwankende Identität, der jähe Aktionismus eines Passiven, das plötzlich monsterhaft Dreinfahrende eines androgyn Somnambulen. Harfengetränkte Bläserakkorde, ein vibrierender Streicheruntergrund, eine einsame Flötenstimme charakterisieren die Titelfigur. Wenn im zweiten und dritten Akt die Außenwelt den Entrückten einholt, hört man Kriegsfanfaren und Schlachtengetümmel, und wenn sich die ...
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Opernwelt März 2013
Rubrik: Panorama, Seite 42
von Hans-Klaus Jungheinrich
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