In höchster Not
Gäbe es einen Superlativ zu dem Wort «zeitlos», er gebührte zweifellos «Othello». Denn das Sujet verbindet und trennt zwei Menschen, die qua Rasse oder Geschlecht prädestinierte Unterdrückungsopfer sind: Othello – als ein in venezianischen Diensten stehender Maure (also Afrikaner), der nur Anerkennung für seine militärischen Erfolge findet, aber gesellschaftlich isoliert bleibt – und Desdemona, Objekt tödlich endender männlicher Obsessionen.
Shakespeares 1604 uraufgeführter «Othello» war schon früh dessen erfolgreichstes Stück, wurde dann unaufhörlich neu interpretiert, 1887 auch von Verdis Librettisten Boito; in jüngerer Zeit erwies er sich besonders geeignet für antikolonialistisch und feministisch orientierte Regiearbeiten.
Auch die Oper Leipzig bedient diese Diskurse, scheitert aber daran, die menschliche Tragödie auf eine ideologische Bedeutungsebene zu verschieben. Dies verhindern Xavier Moreno und Iulia Maria Dan. Zwar artikuliert Morenos Otello anfangs zu vollmundig und Dans Desdemona zu scharfkantig, im Verlauf des Abends aber ersingen sich beide eine Spontaneität, die wunderbar mit ihrem schauspielerischen Können verschmilzt und das Mitgefühl der Zuhörerschaft geradezu ...
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Opernwelt Februar 2023
Rubrik: Panorama, Seite 30
von Volker Tarnow
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