Im unbehausten Gehäuse
Natürlich wiederholt sich Geschichte nicht, jedenfalls nicht eins zu eins. Aber analoge Situationen lassen sich immerhin beobachten, zumindest nachträglich konstruieren. Vor gut 100 Jahren, mit Ende des Ersten Weltkriegs, führte mancherlei Not zu allerlei produktiven Provisorien. Auf die Opulenz von Hofmannsthals und Strauss’ «Frau ohne Schatten» folgte Strawinskys karge «Histoire du soldat». Nun nötigt die Pandemie in ganz anderer Weise zu vielfältigen Einschränkungen: des Repertoires, der Aufführungen, des Besuchs. Improvisation ist gefragt.
Ein bemerkenswertes Beispiel bietet das Würzburger Mainfranken Theater, das gerade saniert und erweitert wird – was dauert. Als Alternativspielstätte dient die Theaterfabrik Blaue Halle, zugehörig zu einer größeren, derzeit sehr gefragten, auf Kühlboxen spezialisierten Firma. Dieser Raum ist nicht nur als Ausweichspielstätte für Musik- und Tanztheater gut geeignet, er steht zudem für eine gelungene Symbiose von Industrie und Kultur. Einer Aufführung der Neuproduktion von Janáčeks «Sache Makropulos» stand also nichts im Wege, mit Ausnahme des pandemiebedingten Ausfalls des Orchesters. Auf die Premiere ganz verzichten wollte man der ...
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Opernwelt März 2022
Rubrik: Im Focus, Seite 10
von Gerhard R. Koch
Eine etwa 3 x 3 Meter große Gefängniszelle. Ein sprödes Klappbett. An die Wand gekettet. Dicke Gitterstäbe zwischen den beiden Menschen. Diese beiden Menschen: Das können in Béla Bartóks 1911 komponierter, 1918 in Budapest uraufgeführter Oper «Herzog Blaubarts Burg» nur der Herzog selbst und seine ihm zugetane Judith sein. Denn mehr Bühnenpersonal gibt es hier...
Dagmar Nick ist inzwischen 95 Jahre alt und lebt in München, in der Nähe von Schloss Nymphenburg. An einem Sonntagvormittag treffen wir auf eine humorvolle, geistig völlig fit gebliebene Dame, die uns ganze zwei Stunden an ihren wertvollen Erinnerungen teilhaben lässt. Diese Geschichten ruft Nick schneller und sicherer ab, als es ein junger Mensch vermag. Selbst...
Sant’ Andrea della Valle, Palazzo Farnese, Engelsburg: Wer könnte diese ikonografischen Orte nicht sofort vor seinem inneren Auge abrufen, wenn er von «Tosca» hört? Und wie sollte, im Rom um 1800, die Handlung anders ablaufen als von Puccini und seinen Librettisten notiert? Aber ist «Tosca» ein derart «veristisches» Werk, dass es der Originalschauplätze überhaupt...