Zum Tristan geboren
Dresden, 12. Oktober 1975: Die Wagner-Fans sind aus dem Häuschen, und die Kritik überschlägt sich in Lobeshymnen. Zu feiern: die Wiedergeburt des längst ausgestorben geglaubten Heldentenors alten Schlages. «Eine regelrechte Entdeckung, die Folgen zeigen wird», heißt es damals im Feuilleton einer DDR-Sonntagszeitung über das «Tristan»-Debüt des bulgarischen Sängers Spas Wenkoff.
Und: «Welch großes, allen Orchesterstürmen gewachsenes, baritonal gefärbtes heldisches Organ mit umdüsterten Mezza-Voce-Passagen!» – «Opernwelt»-Mitarbeiter Ernst Krause, der Doyen der damaligen ostdeutschen Musikkritik, bringt es einige Jahre später in einem Porträt (in: «Opernsänger», Henschelverlag, Berlin 1979) auf den Punkt: «Wenkoff kehrt nach manch (kaum befriedigendem) Versuch eines leichten, stimmlich entfetteten ‹Tristan› zum großen verhaltenen Pathos zurück, wie einst Max Lorenz und Ludwig Suthaus die Partie angingen.» Und er kommt zu dem Schluss, dass Wenkoff «zum Tristan geboren» sei.
Der Sänger, dem diese Superlative gelten, hat sich vor zwölf Jahren, in seinem fünfundsechzigsten Lebensjahr, aus dem Beruf zurückgezogen. Mit freundlichem Lächeln sitzt er uns auskunftsbereit gegenüber im ...
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«Es gibt einen Ort in der Mitte des Erdkreises, zwischen Erde, Meer und Himmelszonen, die Grenzscheide der dreigeteilten Welt, von dort kann man alles, was irgendwo geschieht, sehen, sei es auch noch so weit entfernt, und jede Stimme dringt an das lauschende Ohr. Fama wohnt dort und hat sich an der höchsten Stelle ein Haus gebaut, ihm zahllose Eingänge und tausend...
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