Lustvoll an der Oberfläche
Blutüberströmte Kinderleichen, literweise Sperma, durchbohrte, geschändete Körper, Regie-Berserker, Bühnen-Radikaler ‒ ob Calixto Bieito solche Markenzeichen, die ihm von Dramaturgen und Marketingabteilungen der Theater voran- und von der Kritik hinterhergetragen werden, nicht langsam fad werden? Während alle Welt den Mann auf den Wiedererkennungswert «Skandal» festzerren will, versucht er selbst immer wieder, die sehnlichst erwartete Provokation (denn Theater brauchen ihre Schlagzeilen) zu umgehen.
Und damit zu zeigen, dass «Radikalität» keine Handschrift, sondern die Forderung eines Stückes sein sollte.
Und die zerschellt an einer filigranen Komödie wie Shakespeares «Sommernachtstraum», in der zwar schmerzhafte Erfahrungen mit der Liebe gemacht werden, die aber nicht die Welt umstürzen, sondern nur die schlichte Tatsache ihrer Triebsteuerung bestätigen. Die disparaten Handlungsebenen bei Shakespeare wurden von den Theaterleuten der englischen Restaurationszeit nochmals fragmentiert, verwässert und mit Musikeinlagen von Henry Purcell verquickt, so dass in der semi-opera «The Fairy Queen» von 1692/93 von einer durchgehenden Handlung nicht viel übrig blieb.
Wer also die «Fairy Queen» ...
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Opernwelt März 2016
Rubrik: Panorama, Seite 54
von Michael Struck-Schloen
Daniel Börtz verbeugt sich hastig. Lächelt schief, mit verlegenem Stolz. Schon schielt er wieder nach der Gasse und huscht von der Bühne. Eine fürsorgliche Hand muss den 72-jährigen Schweden mit dem weißen Rauschebart wieder nach draußen lenken, auf dass er den Applaus für die Uraufführung seiner «Medea» entgegennehme: Der klingt mehr als respektvoll. Das...
Die Visitenkarte noch vor der offiziellen Amtseinführung – so stellt sich der erste Mitschnitt des London Symphony Orchestra mit seinem künftigen Chef Simon Rattle dar, der nun beim orchestereigenen Label veröffentlicht worden ist. Thema ist Robert Schumanns genial-befremdliches Oratorium «Das Paradies und die Peri», in dem einige Dirigenten sein bestes Werk für...
Es klingt wie ein philologischer Hinweis und hat doch viel mit dem sinnlichen Klangerlebnis dieses Abends zu tun: Verdis «Macbeth» wird in Karlsruhe in der Fassung von 1865 gespielt – und zwar komplett. Die Betonung liegt auf komplett. Verdi hat seine Oper knapp zwanzig Jahre nach der Uraufführung für Paris überarbeitet und sozusagen auf den Stand der...