«Gott hat mich immer gerne, doch ist er schrecklich weit»
Oper und Wahnsinn – das sind von alters her keine allzu weit voneinander entfernten Positionen. Nur dass sich die im Belcanto formgebundene Wahnsinnsarie in der Moderne zum existenziellen musikalischen Außer-sich-Sein entwickelt hat. Aber auch das kann (und erst dadurch wird es zur Kunst) mit klaren Kriterien und hohem ästhetischem Reiz verbunden sein, wie Lübeck jetzt mit der Deutschen Erstaufführung der Oper «Der göttliche Tivoli» von Per Nørgård bewies.
Der 1932 geborene Komponist, den Ulrich Schreiber in seinem gerade vollendeten «Opernführer für Fortgeschrittene» als den seit Carl Nielsen bedeutendsten dänischen Komponisten des 20. Jahrhunderts bezeichnet, behandelt in seinem 1983 in Aarhus uraufgeführten und seitdem unter anderem in St. Gallen (unter dem Titel «Die göttliche Kirmes», OW 1/96) und in Edinburgh nachgespielten Werk das Schicksal des Schweizers Knechts Adolf Wölfli (1864-1930) aus dem Emmental, der – nachdem seine pädophilen Neigungen bekannt geworden waren – die letzten fünfunddreißig Jahre seines Lebens in einer geschlossenen Anstalt verbringen musste und dort seine schizophren-psychotische Disposition in qualitativ verblüffend hochrangige Bilder und ...
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Ist es Zufall, Schicksal, gar Fügung? Jedenfalls ist da schon wieder einer mit diesem Vornamen: Sebastian. Kein Heiliger, gewiss nicht, aber das sind auch die beiden anderen Schauspiel-Regisseure nicht, die dabei sind, das Musiktheater zu revolutionieren, Sebastian Baumgarten und Sebastian Nübling. Und fast scheint es, als ob die Gattung Oper, soeben vierhundert...
Die «Ring»-Produktion, die Patrice Chéreau und Pierre Boulez den Bayreuther Festspielen zum hundertsten Jubiläum bescherten, ging als Geniestreich in die Geschichte des modernen Musiktheaters ein. Von den Schildern «Verflucht sei dieser ‹Ring›», die 1976 rund ums Festspielhaus getragen wurden, bis zu den eineinhalb Stunden Abschiedsapplaus im Sommer 1980 war es...
Wo Igor Strawinsky war, da war der Tanz nicht weit, auch die szenische Transformation der Oper nicht – und schon gar, wenn Impresario Sergei Diaghilew die Hände im Spiel hatte. «Le Rossignol» schlüpfte schon bei der Pariser Uraufführung 1914 ins Ballettröckchen, dieweil die Sänger lediglich zu singen hatten. «Oedipus Rex» widerfuhr bereits bei der szenischen...