Eros der Grammatik

Das alte Theater Chinas gewinnt aus strengen Regeln Traumbilder von faszinierender Eleganz. Zum Berlin-Gastspiel der Shanghai Kunqu Opera Company

Opernwelt - Logo

Sieben Jahre. Mindestens. So lange dauert die Ausbildung. Die Anforderungen sind hoch und breit gefächert. Wer es im «klassischen», über Jahrhunderte hinweg mündlich tradierten Theater Chinas zu etwas bringen will, muss neben Talent und Leidenschaft viel Zeit investieren. Um die Grammatik eines Gesamtkunstwerks in den Körper zu bekommen, die Sprechen, Singen, Gestik und Bewegung bis zur unscheinbarsten Nuance festlegt.

Auch die für alte Instrumente wie Bambusflöte (Dizi), Kniegeige (Erhu), Mundorgel (Sheng), Laute (Pipa, Sanxian), Zither (Zheng) und Schlagwerk (Trommeln, Becken, Gongs) entwickelte Melodik und Rhythmik folgt katalogisierten Mustern.

Im Westen wird dieses Theater bis heute meist als «Pekingoper» bezeichnet. Ein irreführender Begriff. Es gibt viele lokale Varianten, die sich deutlich von dem erst Ende des 18. Jahrhunderts durch den Kaiserhof in Beijing popularisierten, mit akrobatischen Kampfszenen gespickten Typus unterscheiden (ein Import aus den Provinzen Anhui, Hubai und Shaanxi). Die älteste, als zentrale Referenz geltende Form ist das Kunqu (sprich «Kuntschü»), jenes vor 800 Jahren entstandene «Singspiel aus dem Kunshan», das von Vagantenbühnen im ganzen Land ...

Weiterlesen mit dem digitalen Monats-Abo

Sie sind bereits Abonnent von Opernwelt? Loggen Sie sich hier ein
  • Alle Opernwelt-Artikel online lesen
  • Zugang zur Opernwelt-App und zum ePaper
  • Lesegenuss auf allen Endgeräten
  • Zugang zum Onlinearchiv von Opernwelt

Sie können alle Vorteile des Abos
sofort nutzen

Digital-Abo testen

Opernwelt Januar 2019
Rubrik: Magazin, Seite 63
von Albrecht Thiemann

Weitere Beiträge
Vehemente Fürsprache

Vor einigen Jahren erwies Joyce DiDonato mit ihrem Album «Stella di Napoli» der Stadt am Vesuv und einigen der dort wirkenden Komponisten des 19. Jahrhunderts ihre Reverenz. Neapel war aber schon im vorangegangenen Jahrhundert zu einer der bedeutendsten Musikstädte Europas geworden und hatte eine Fülle großer Musiker hervorgebracht. Dem «Napoli galante» ist das...

Maskenfall

Die Zeit ist aus den Fugen. Schreckliches werde geschehen, greint Herodes, wobei die Honigschicht der Jovialität, um die er sich ohnehin zumeist vergeblich müht, endgültig abtropft. Es geht um seine Stieftochter Salome, die verzogene Göre mit erotischem Appeal, die für erwiesene Gunstleistungen, Tanz et cetera, partout den Kopf des eingekerkerten Propheten fordert....

Talentförderung mit Familienanschluss

Drei verschiedene Opern an drei aufeinanderfolgenden Tagen: Was in Berlin oder Wien noch immer selbstverständlich scheint, ist in Italien eine Attraktion. Längst hat restriktive Kulturpolitik die einst blühende Opernlandschaft zwischen Triest und Catania zerschlagen. Ausgenommen sind ein paar Leuchttürme wie La Scala oder das Orchester der Accademia di Santa...