Einfach raffiniert
Allzu selten dient ein Opernlibretto derzeit als echte Steilvorlage für einen Regisseur. Und wenn überhaupt, dann ist es Material, das es gegenzulesen gilt. Bei Robert Wilson ist das anders. Er bedient sich einfach bei Puccinis Textdichtern Giuseppe Adami und Renato Simoni, die ihrerseits Schillers Bearbeitung der fiabe teatrali «Turandot» des Venezianers Carlo Gozzi aufgriffen.
Wie sich die Bilder gleichen.
Als Ping, der Kanzler, sich vom furchtbaren Alltag am Hofe des Kaisers Altoum und dessen Tochter Turandot, die einen potenziellen Ehemann nach dem anderen einen Kopf kürzer machen lässt, einfach mal hinwegträumt in sein Haus in Honan, da schwärmt er baritonwarm vom «laghetto blu» seines Heims. Und siehe da: Wilson, der Magier des Musiktheaters, zaubert diesen «blauen Teich» auf die Bühne – als eine lichtsatte blaue Stunde.
Diese Utopie aus Farbe, die von einer kleinen, heilen Welt der drei Minister kündet, wird einen Akt später wiederkehren, in der ersten, alles entscheidenden Begegnung zwischen Turandot und Calaf. So märchenhaft einfach in den Bedeutungsebenen wie raffiniert in der Ausführung arbeitet Wilson farbsymbolisch weiter. Turandot trägt rot. Und mit dem Kuss des ...
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Opernwelt Januar 2019
Rubrik: Im Focus, Seite 10
von Peter Krause
Er war der Marktführer im Opernbetrieb der Belle Époque. Die Häuser rissen sich um seine Stücke. Denn Jules Massenet hatte ein feines Gespür für die unlauteren Seh(n)süchte der Bourgeoisie – für eben jene von der Konvention eingehegte Lust auf emotional-erotische Verausgabung, die das Paradies verheißt, doch meist ins Verderben führt. Mit der 1884 an der Opéra...
Sperrt sich die Belcanto-Oper gegen den szenischen Rigorismus des Regietheaters? In der Salzburger Ära von Gerard Mortier konnte dieser Eindruck entstehen, vielleicht auch wegen der prononcierten italienischen Zuständigkeit Riccardo Mutis. Andererseits war Hans Neuenfels’ «Troubadour» in Nürnberg vor knapp einem halben Jahrhundert so etwas wie ein Erneuerungsfanal...
Schon das erste Bild macht frösteln: In tiefster Schwärze liegt die riesige Bühne der Bastille-Oper zu Beginn von «Simon Boccanegra». Weißes Licht aus diffusen Quellen vereist den Blick, den ein gigantischer Schiffsrumpf bannt, der sich immer mächtiger auf die Drehbühne schiebt. Ein Kriegsschiff wohl, anscheinend noch im Bau, die metallene Außenhaut ist noch nicht...