Countertreff
Er war groß, athletisch und charmant, trug Spitzbart und ständig eine Pfeife im Mund – außer natürlich bei seinen Konzertauftritten. Und er führte stets Fotos seiner Kinder mit sich, zum Beweis, dass eine hohe Stimme im männlichen Körper nichts mit reduzierter Virilität zu tun haben musste: Alfred Deller. Insbesondere dem Contra-Tenor aus dem englischen Margate ist es zu verdanken, dass die bis dahin lange verstummte Kunst des Falsettgesangs nach dem Zweiten Welkrieg wieder eine konkrete Stimme bekam.
Als Deller im Alter von 67 Jahren 1979 starb, hatte diese Art des Singens in höheren Sphären bereits feste Wurzeln geschlagen – und das ganz ohne Beteiligung des «coltellino», des Messerchens. Nach einer zweiten Generation der «neuen» Countertenöre wie James Bowman, Paul Esswood, René Jacobs in den 1970er-Jahren war bereits eine dritte auf dem Weg (unter anderem mit Jochen Kowalski). Heute sind wir, wenn man diese Aufstellung berücksichtigt, bei der sechsten angelangt, repräsentiert unter anderen durch Valer Sabadus und Tim Mead, deren Recitals hier besprochen werden. Mit dem jungen Jakub Józef Orliński scheint aber schon eine siebte Generation die Bühne zu betreten.
Tim Mead ist ...
Weiterlesen mit dem digitalen Monats-Abo
Sie sind bereits Abonnent von Opernwelt? Loggen Sie sich hier ein
- Alle Opernwelt-Artikel online lesen
- Zugang zur Opernwelt-App und zum ePaper
- Lesegenuss auf allen Endgeräten
- Zugang zum Onlinearchiv von Opernwelt
Sie können alle Vorteile des Abos
sofort nutzen
Opernwelt Januar 2019
Rubrik: Hören, Sehen, Lesen, Seite 22
von Gerhard Persché
Am Anfang war der Kuss. Innig umschlungen stehen eine Frau und ein Mann in der Bühnenmitte, liebkosen sich mit der Zärtlichkeit des ersten Mals und wollen selbst dann nicht voneinander lassen, als das aus dem Raunen der Kontrabässe sich entwickelnde, initiale Es-Dur anschwillt zum Wagner’schen Klangstrom, der vom Werden der Welt kündet. «Weia! Waga! Woge du Welle»...
Karl Kraus’ hintersinnige Pointierung des Wortes «Familienbande» trifft auch auf Antonio Vivaldis Oper «La verità in cimento» zu, die jetzt den 13. «Winter in Schwetzingen» eröffnete. Sieben Jahre hatte der Heidelberger Operndirektor Heribert Germeshausen im Rokokotheater in einem spannenden Gang durch die Geschichte die Entwicklung der neapolitanischen Seria...
Die Terroristin trägt Prada. Schulterfrei. Lang, in eleganten Wellen, fließt die glutrote Seide an Medeas Körper herab, schmückt sie mit majestätischer Aura. Doch wie anders ist das Empfinden der gottgleichen Zauberin. Diese Frau, in deren Leben seit jeher die großen, gemischten Gefühle dominierten, ist nun durchglüht von heiligem Zorn. Zorn auf die Welt, auf die...