Blühende Fantasie
«Götterdämmerung» als Demonstration der Vererbungslehre? Wenn Hagen nach Siegfrieds Tod in einer brutal ausgespielten Szene seine Halbschwester Gutrune vergewaltigt, kann man diese Tat ganz aus den Genen begründen: Hatte sein Vater Alberich bei der Zeugung des Sohnes nicht einst Grimhild, der Herrschersgattin im Hause Gibichungen und Mutter von Gunther und Gutrune, ebenfalls sexuellen Zwang angetan? Man ist erstaunt, auf welche Ideen Anthony Pilavachi bei der Umsetzung des monumentalen Stoffes kommt, freilich immer gegründet auf genauester Werkkenntnis.
Und auf einer wahrhaft blühenden Fantasie. Warum nicht, so hat er sich offenbar gefragt, die Brünnhilde des ersten Akts als züchtige Hausfrau darstellen im Kreis ihrer neun teilweise mit Flügelhelmchen ausstaffierten Kinder? Nichts Heroisches hat sie an sich, wenn sie in eitel-dümmlicher Selbstbezogenheit der Walkürenschwester Waltraute die Rückgabe von Siegfrieds Liebespfand, dem Ring, an die Rheintöchter verweigert. Auch könnte die tiefe Erniedrigung, die sie im zweiten Akt erfährt, nicht besser vorbereitet sein: wenn sie dann als geschändete Frau am Hof der Gibichungen vorgeführt wird, mit wirrem Haar, ungeordneter Kleidung und ...
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