Politischer Weltbürger
Im deutschsprachigen Raum war der 2003 verstorbene Literaturwissenschaftler Edward W. Said bis zur Jahrtausendwende, als er gemeinsam mit Daniel Barenboim in Weimar das West-Eastern Divan Orchestra gründete, nahezu unbekannt.
Wer sich an Hochschulen mit Politik und Kultur der arabischen Welt beschäftigte, hatte natürlich seine 1978 veröffentlichte Studie «Orientalism» gelesen – ein Buch, das die westliche Orient-Rezeption in Wissenschaft und den Künsten als eine Geschichte von Zerrbildern erzählt, mit denen der «aufgeklärte» Okzident vor allem ein Ziel verfolge: sich der eigenen Überlegenheit zu vergewissern. Dass diese Abrechnung von einem in Jerusalem geborenen Palästinenser formuliert worden war, der in Harvard, Yale und an der New Yorker Columbia University lehrte, sicherte ihm in den USA eine Aufmerksamkeit, die Intellektuellen aus Kairo (wo er aufwuchs), Damaskus oder Beirut nie zuteil geworden wäre. Said beherrschte nicht nur den akademischen Diskurs, er konnte seine Sache ebenso brillant in Fernsehen, Radio oder Zeitungen vermitteln. Sein Lebensthema war Israel, Palästina und der Konflikt im Nahen Osten – auch wenn (oder weil?) er selbst die Verwerfungen in der «Heimat» stets aus der Distanz beobachtete und analysierte. Immer wieder geriet er dabei zwischen die Fronten – ein Querdenker, der die blutige Praxis der israelischen Sicherheitspolitik so scharf attackierte wie den zum Dschihad verklärten Terror der palästinensischen Selbstmordkommandos. ...
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