Werk oder Wust?

Falk Richter installiert die «Heilige Schrift I» von Wolfram Lotz als Erlebnisparcours an den Münchner Kammerspielen, Stephan Kimmig inszeniert Knut Hamsuns «Spiel des Lebens» und Alexander Eisenach sein eigenes Stück «Der Schiffbruch der Fregatte Medusa» am Residenztheater

Heilige Schrift I» – darunter macht es Wolfram Lotz nicht mehr. Mit gerade mal einem halben Dutzend Stücken in den Dramatiker-Olymp aufgestiegen, holt er nun auf einen Schlag nach, was er im letzten Jahrzehnt an Seiten gespart hat.

Ein Jahr lang einfach «alles» aufschreiben, so der Plan (den Rainald Goetz bereits 1998 mit «Abfall für alle» schon einmal durchexerziert hat, noch bevor Karl Ove Knausgård zehn Jahre später mit seinem sechsbändigen autofiktionalen Exzess «Mein Kampf» die Grenzen der Offenheit noch einmal an den Rand des Erträglichen und manchmal darüber hinaus verschob). Bei Lotz gibt es Grenzen, die Familie betreffend, Frau und Kinder werden als N, E und O zwar erwähnt und laufen mal kurz durchs Bild, aber Beziehungsthemen kommen nicht zur Sprache. Dafür werden mitunter die lieben Kolleg: -innen und die Literaturbranche ins Kreuzfeuer genommen. 

Dennoch bleibt es ein Beobachtungsexperiment, das unweigerlich auf das Leben des Beobachters zurückschlägt, ein Fall von Selbsterschreibung als Selbstbeschreiber, was naturgemäß zu Rückkoppelungseffekten führt, in die sich die potenzielle Leserschaft – womöglich schreiberisch vorbelastet – einklinken kann. Die doppelte ...

Weiterlesen mit dem digitalen Monats-Abo

Sie sind bereits Abonnent von Theater heute? Loggen Sie sich hier ein
  • Alle Theater-heute-Artikel online lesen
  • Zugang zur Theater-heute-App und zum ePaper
  • Lesegenuss auf allen Endgeräten
  • Zugang zum Onlinearchiv von Theater heute

Sie können alle Vorteile des Abos
sofort nutzen

Digital-Abo testen

Theater heute 7 2022
Rubrik: Aufführungen, Seite 6
von Silvia Stammen

Weitere Beiträge
Überraschend unterhaltsam

Schon bemerkenswert: Gut 180 Jahre lang kümmert sich mehr oder weniger niemand hierzulande um diesen Text. Und kaum behandelt ihn die «FAZ» in der Reihe «Spielplan-Änderung!» als eines der «Stücke, die das Theater braucht», da setzt geradezu ein Wettrennen ein: 2019 erschien besagter Zeitungsbericht, im März 2021 sollte es in Karlsruhe die deutsche Erstaufführung...

Mein Name ist Existenzminimum

So ein Jubel war lange nicht am Schauspiel Düsseldorf, wo Abendgarderobe bis heute die Premierenoptik prägt und selbst bei Standing Ovations die Frisuren nicht verrutschen. Bei der Uraufführung von «Working Class» in der Regie von Bassam Ghazi sprüht eine andere Begeisterung aus den Publikumsreihen, Klatschen, Pfiffe, Trampeln. Der junge Mann neben mir ruft bei...

Suchlauf 7/22

2./SAMSTAG 21.40, 3sat: Hermann Hesse – Brennender Sommer 
Essayfilm, Schweiz 2020, Regie Heinz Bütler, mit Sibylle Lewitscharoff, Silver Hesse, Daniel Behle, Oliver Schnyder, Alain Claude Sulzer, Michael Limberg und Peter Simonischek

4./MONTAG 22.25, 3sat: James Baldwin: I Am Not Your Negro 
Dokumentarfilm von Raoul Peck, Schweiz 2016

9./SAMSTAG 22.40, arte: Der...