Tränen aus dem Stand
Man sagt dem Regisseur Jürgen Gosch eine Schwäche für Süßigkeiten nach. Wer die besten Konditoreien in Düsseldorf, Berlin, Hamburg, Hannover oder Zürich wissen will, der frage den 62-jährigen Regisseur auf Endlostournee. So raunt man in Zügen und Hinterzimmern. Irgendeine Droge muss der unermüdliche Mann ja haben, warum nicht den Downer aus schön verarbeitetem Zucker. Seine Primärdroge ist aber bestimmt das Theater, das Rüben- oder Rohr-Derivat wäre dann bloß das Gegengift.
In Hannover knüpft Gosch dort an, wo er in Düsseldorf mit seinen phänomenalen «Sommergästen» von Maxim Gorki aufgehört hatte. Die Anknüpfung ist zunächst mehr eine Drehung um neunzig Grad: Wo Johannes Schütz einen episch breiten, grau ausgelegten Quader mit Aussicht auf einen gefällten Baum baute, flüchtet die Bühne jetzt in die graue, hermetisch abgedichtete Tiefe. Der Saal im seit einem Jahr vaterlosen Hause Prosorow in der Provinz fühlt sich mindestens so lang an wie das Warten für Olga, Mascha und Irina auf eine Perspektive in einem Raum ohne gültige Referenz – ohne Fenster, ohne Vater, ohne Lover, ohne Glamour. Und Moskau liegt vielleicht irgendwo im hellen Zuschauerraum, in den gelegentlich eine ...
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Das Thema im sich erinnernden Kopfe hin und her wendend, ist mir schließlich eingefallen, dass ich mit einem meiner Irrtümer anfangen sollte. 1973 inszenierte Klaus Michael Grüber am (mitbestimmten) Schauspiel Frankfurt Brechts Frühwerk «Im Dickicht der Städte». Auf der großen Bühne hatte Eduardo Arroyo hunderte von Schuhen, ausgelatschten, aufschütten lassen. Am...
Es muss eine unbezähmbare Sehnsucht nach Repräsentation gewesen sein, die den Regie führenden Intendanten Stephan Märki antrieb, Schillers Trauerspiel in ein (falsch verstandenes) Schleef-Korsett zu pressen. Mancher Verpflichtung war da ja gerecht zu werden: Weimar, die Klassikerstadt, Ort der Uraufführung, dazu die Dimension des Hauses, auch wenn das nicht...
Vom Gerede geprägt, gestempelt und verletzt. Geschlagen von Worten» – so fühlen sich die drei älteren Schwestern in «The New Electric Ballroom», mit dem Enda Walsh jüngst zum ausländischen Dramatiker des Jahres gekürt wurde. Um der Schlagkraft der Worte, dem dörflichen Tratsch zu entfliehen, haben sie sich ganz von der Außenwelt zurückgezogen, «um für immer drinnen...