Practice what you preach?

Robert Schwentke findet beim römischen Philosophen und Spin-Doctor viel Zeitgemäßes: «Seneca», eine Horrorkomödie

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Bitte nicht schon wieder politisches Theater, das wird die Welt nicht verbessern», meckert die grazile alte Dame in der ersten Reihe. Es ist Geraldine Chaplin, und es ist die Crème de la crème der römischen Upperclass, die sich auf Senecas Landsitz eingefunden hat, um unter freiem Himmel einer Exklusivvorstellung seines Dramas «Thyestes» beizuwohnen, der Splattertragödie um das Brüderpaar Atreus und Thyestes, in dem die Rache des gehörnten Atreus so weit geht, dass er seinem Bruder die eigenen geschlachteten Söhne beim Festmahl einverleibt.

Bei Seneca erfährt das Publikum die wildesten Gräuel nur im Botenbericht; Ersan Mondtag, den sich Filmregisseur Robert Schwentke fürs Theater im Film dazu geholt hat, lässt die blutige Ermordung und Enthauptung der Söhne durch Atreus Samuel Finzi lustvoll ausspielen. Wenn schon Schockmoral statt Katharsis, dann auch richtig!

Seneca in einfacher Sprache

Robert Schwentke ist kein Mann der indirekten Töne. Fürs deutsche Kino (das bei der diesjährigen Berlinale mit immerhin fünf deutschen Filmen, überwiegend Berliner Schule, im Wettbewerb aufwartete): eine Rampensau. Die Berlinale zeigte «Seneca» in der Sektion Special, und special ist Schwentke. ...

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Theater heute März 2023
Rubrik: Magazin, Seite 68
von Barbara Burckhardt

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