Mannheim: Die Blow-Jobberin
Wie heißt er denn jetzt umgangssprachlich, der Cunnilingus, der Blow Job für die Frau? Ein merkwürdig bezeichnungsfreier Akt ist das, und das spricht natürlich auch schon für sich. Olivia Öl jedenfalls hätte gern einen, oder mehrere – aber nicht von ihrem Freund Popeye. Da ist die Scham davor: Die Scham vor dem Geruch, vor dem Geschmack, vor dem Überhaupt ihres Geschlechtsorgans.
Und schon hängt sie mittendrin im Paradox, mittendrin im multipel geschichteten Dilemma: Zwischen Eigen- und Fremdwahrnehmung, Erwartung und Realität, zeitgenössisch feministischer Haltung und historisch tiefsitzender patriarchaler Gesellschaftsstruktur, in der die Frau noch immer das Andere ist. Und nicht das Eigentliche. Sivan Ben Yishai treibt diese Dilemmata in ihrem neuen Stück «LIEBE/Eine argumentative Übung» zu satirischer, klitoris-pinker Blüte.
Denn das mit der Liebe ist nicht so einfach 2019: Frau ist Feministin, natürlich, ist aufgeklärt, ist beruflich erfolgreich und unabhängig. Und eigentlich geht es ihr richtig gut. Aber es gehört immer noch ein Mann zum Erfolgsmodell eines gelingenden Lebens, in dem es nicht in Frage kommt, kein Paar zu sein. Allein, das Patriarchale hält sich im Privaten ...
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Theater heute Januar 2020
Rubrik: Chronik, Seite 59
von Esther Boldt
Es war einmal ein Märchenonkel, dem wuchs das Märchenonkeln über den Kopf. Eben noch hatte er sich behaglich auf den Proszeniumsstufen niedergelassen, Rock und Knautschhose zurechtgezupft, die Kinderschar im Zürcher Pfauenparkett fixiert und sich den ledernen Folianten mit den Sammelerzeugnissen der Brüder Grimm auf den Schoß geladen. Mit einem Mal klappte er das...
Vergessen Sie den Kampf der Geschlechter. Hat ja lange gedauert, hat Kraft genug gekostet. Erst diese ganze Body-Aufrüstung im Kraftraum, am Schminktisch. Dann der Cyberwar auf Tinder, die Real-Life-Rückschläge. Dazu diese missverständlichen Verbalscharmützel beim ersten Rendez-vous, das Risiko des technischen Versagens an der Bettkante, allfälliges Tappen in die...
«Alles kommt vom Bergwerk her», ein Satz, wie man ihn in Stücken des sozialistischen Realismus oder vielleicht bei naturalistischen Autoren des 19. Jahrhunderts vermuten würde. Hier aber bildet er den Kern des Gewinnerstücks des Kleist-Preises 2019, uraufgeführt am Staatstheater Cottbus. Entsprechend geht es in «Warten auf Sturm» auch nicht um schwarz-staubige...