Männer!
Zwölf Männer, halbnackt, in schwarzer Einheitsunterhose, eingesperrt in einen mit schwarzem Tuch ausgeschlagenen Innenhof. Fast alle sind jung, athletisch, zart. Sie befühlen und liebkosen sich. Dieses Venedig ist ein Knabeninternat. Und Internate taugen nicht für Idyllen. Also steht da plötzlich einer, den sie abstoßen, aus unerfindlichen Gründen. Ein kräftiger Kerl. Vielleicht ist er zu spröde für den zarten Jünglingsreigen. Egal, ihn wollen sie leiden sehen. Aus gruppendynamischem Prinzip. So beginnen die Verwirrungen des Zöglings Shylock.
Das Männerensemble ergeht sich lustvoll in Travestien, witzelt das Publikum an, kokettiert mit gayer Libertinage. Das Wort «Jude» klingt in diesem Milieu wie ein verhuschtes «Opfer» auf dem Schulhof. Harmlos für alle, nur nicht für denjenigen, der nicht mit gleicher Zunge antworten kann: der ewige Bankdrücker Shylock. Kein Wunder, dass so einer die erstbeste Chance ergreifen will, es dem anmutigen Klassenprimus Antonio (Christian Erdmann als Kaufmann von Venedig) heimzuzahlen. Mit einem vertraglich zugesicherten blutigen Schnitt in die bildschöne Brust.
Fraglos ist es eindrucksvoll, wie der kräftige Matthias Reichwald seinen Shylock hier zum ...
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Theater heute Oktober 2011
Rubrik: Chronik, Seite 51
von Christian Rakow
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