Gesten der Gewalt
Es ist Selfie-Zeit im toxischen Museumsshop hinter der Bühne.
Der Zuschauer, Sektglas in der Hand, kann entscheiden: Will er vor der Fotowand als vietnamesischer Zivilist posieren, der gerade vom Polizeichef erschossen wird? Oder in einer niedlichen Schneekugel echten syrischen Trümmerregen mit nach Hause nehmen? Den «kraftvollen» Marschflugkörper in Kleinformat kaufen? Der in Amsterdam lebende deutsche Künstler Julian Hetzel lotet in «All inclusive» Tabus der Kunst aus: Wie weit ist Gewalt ästhetisierbar? Und wie würden diese Frage Kriegstraumatisierte aus Syrien beantworten?
Doch nochmal von vorn. Eigentlich beginnt es ganz harmlos, wenn die Performer Edoardo Ripani und Geert Belpaeme auf der Bühne ikonische Kriegsfotografien reenacten: Robert Capas «Fallenden Soldaten» aus dem Spanischen Bürgerkrieg oder jenes Hinrichtungsfoto von Eddie Adams, das den Vietnamkrieg beendete. Immer wieder wiederholen sie die Posen, bis sie im popkulturellen Zitat-Tanz zu hartem HipHop zucken. Und dann kommt Kristien de Proost ins Spiel: Als Kuratorin führt sie reale Geflüchtete, gecastet in Düsseldorf, über die Bühne. Mit eurozentristischer Arroganz bringt sie den Neuankömmlingen jenen westlichen Kunst-Sprech näher, den sie bisher mutmaßlich vermissen mussten: Westliches Kuratoren-Gelaber über die Schönheit des Rauchs, der über syrische Trümmerfelder weht – eingeschlossen im Glaskasten, um die westliche Distanz dazu künstlerisch zu markieren. «Es riecht nach Syrien», sagt der junge Syrer, als er am «original» aus Homs importierten Steinhaufen schnuppert, Material: Stein, Metall, menschliches Fleisch.
Es beeindruckt schon sehr, wie Hetzel hier wesentliche Diskurse der Gegenwart in 90 Minuten schmerzhaft zusammenbringt: die Ausbeutung von Kriegsopfern durch den europäischen Kunst-Betrieb. Die pervers-privilegierte Vergoldung von Künstler-Karrieren durch den Kick des Authentischen. Die gönnerhafte Öffnung der exklusiven Museumsführung für ein «diverses» Publikum. Am Ende ergeben reale Kriegsmeldungen einen coolen Electrosound, werden die Mikros zu Maschinengewehren, mit denen die Performer die penetrante Kuratorin erschießen, aus deren (Kunst-)Blut dann ein Action-Painting entsteht: Es gibt kein menschliches Leid, das sich nicht popkulturell aneignen lassen würde. Ersteigern will es am Ende aber dann doch niemand.
Die Frage der Grenzen
Man spürt in dieser Arbeit, wie unbedingt Hetzel die unsichtbaren Grenzen der Welt sichtbar machen möchte – und dann am Ende doch noch in die eigene Falle tritt. Reproduziert er nicht genau das, was er kritisiert? Denn um die ikonischen Gewaltdarstellungen zu ästhetisieren, müssen sie schon sehr weit vom eigenen Land und Leben entfernt sein. Mit KZ-Bildern jedenfalls wäre «All inclusive» wohl nicht möglich: Die wahre Frage, wo für wen die Grenzen verlaufen für das, was ästhetisiert, dargestellt, entweiht oder profanisiert werden darf, bestimmt am Ende ganz selbstherrlich der (westlich privilegierte) Künstler allein: Saigon und Syrien gehen, Auschwitz oder die eigene Familie als Bombenopfer vermutlich nicht. Spannend auch, dass diese Thematik eine der Einladungen selbst betrifft. In «Häusliche Gewalt» von Markus Öhrn geht es in sechs quälenden Stunden bekanntlich darum, Gewalt gegen Frauen nachzustellen – und die monströsen, Comic-haften Riesenköpfe des schlagenden «Mannes» und der die Schläge passiv über sich ergehen lassenden «Frau» können nicht darüber hinwegtäuschen, dass in dieser Arbeit zwar stereotype Rollenbilder sichtbar gemacht, aber auch reproduziert werden – was nicht eben dabei hilft, sie zu überwinden.
Es ist das zweite Impulse-Jahr von Haiko Pfost, und beide Abende sind sichtbar ganz nach seinem Geschmack, denn schon im letzten Jahr durchmaß das Festival eifrig die Grenzen des Darstellbaren. Und auch wenn da vielleicht manchmal die Freude am Tabubruch mit der künstlerischen Qualität kollidiert, hat Pfost doch auf jeden Fall klug die strukturellen Verwirrungen befriedet, die das wichtigste Festival der Freien Szene in den letzten Jahren durchlief: In den drei beteiligten Städten finden nun wechselseitig drei Schwerpunkte statt. Der «Showcase» der elf bemerkenswertesten Arbeiten im deutschsprachigen Raum ist im diesen Jahr Düsseldorf. 350 Arbeiten hat ein sechsköpfiger Beirat gesichtet, neben Pfost und der Impulse-Dramaturgin Wilma Renfordt waren es der Journalist Wolfgang Kralicek, die bildende Künstlerin Barbara Oßwald und die Regisseurin Barbara Weber. Als gleichberechtigte «Publikumsbeirätin» fungierte in diesem Jahr die Neusser Gymnasiallehrerin Barbara Odenthal – denn Pfost ist es äußerst wichtig, den Kontakt zur Zuschauerbasis nicht zu verlieren, wurde dem Festival in den letzten Jahren doch immer wieder vorgeworfen, ein hermetisches Branchentreffen zu sein.
Der Reissdorf-Junkie
Mit dem Stadtprojekt, in diesem Jahr in Köln angesiedelt, muss er das wahrlich nicht befürchten. Denn auch «RTL» und «Bild» sind zur Stelle, wenige Tage, nachdem «Angstraum Köln» begonnen hat. Mitten auf dem Neumarkt, wo täglich Junkies über den Platz schlurfen, nur Schritte vom Epizentrum des entfesselten Warenkonsums, der Schildergasse, entfernt, haben die Österreicher Alexandra Berlinger und Martin Wagner ein Kölsches Wahrzeichen entweiht. Jenes meterhohe «Reissdorf-Männchen», das als Neon-Leuchtreklame einer Brauerei zum Biertrinken auffordert, setzt sich als fröhlich blinkende Figur hier eine Spritze. «Geschmacklos», tobt «Reissdorf Kölsch» und plant laut «Bild»-Zeitung rechtliche Schritte, «Verharmlosung», entrüstet sich die Bürgerinitiative «Zukunft Neumarkt» und steht am Platz für Interviews bereit. Sie ist auch verantwortlich für einen Teil jener «Konsumverhinderungsarchitektur», die rund um den Drogen-Umschlagplatz Treppenabgänge mit Holzverschlägen umkleidet oder mit Eisengittern absperrt: bloß keine Aufenthaltsqualität schaffen für jene Szene, über die hier seit Jahren erbittert diskutiert wird.
Die Holzverschläge haben Berlinger und Wagner exakt nachgebaut und präzise ironisch als «Konsumfreiräume» markiert. Eine Unverschämtheit, wahrlich, den Konsum harter Drogen mit dem exzessiven Genuss der Kölner Droge schlechthin, dem Kölsch, in Verbindung zu bringen. Schön, wie hier gesellschaftliche Widersprüche sichtbar werden: Dass etwa mit der Architektur öffentlicher Räume Politik gemacht, aber zugleich auch Verdrängung betrieben wird. Welche öffentlichen Bilder prägen eine Gesellschaft? Und was passiert mit jenen Szenen, die in die Unsichtbarkeit verschoben werden, aber dadurch nicht verschwinden? Dass dies auch Gutes bewirken kann, erzählt die Prostituierte «Steffi» beim «Sex Drive» von Natalie Ananda Assmann und Rana Farahani auf Band, während uns «Nicole» im Mercedes-Oldtimer durch den Eigelstein fährt, wo bis 2001 der Kölner Strich verlief. Nun hat ihn die Stadt ins Niemandsland verlegt, mit Duschen, Sozialarbeitern und Notrufknöpfen – und das, so Steffi, sei ein Vorteil, auch wenn es die Stellung der Sexarbeiterin in der Gesellschaft nicht eben gehoben habe.
Doch der am hysterischsten diskutierte «Angstraum» Kölns ist natürlich der Hauptbahnhof, wo die sexuellen Übergriffe mutmaßlich muslimischer junger Männer zu Silvester 2015 den Diskurs über Flüchtlinge drehten. Dass sich Angst-Psychologie in verschiedenen Zeiten jedoch ziemlich ähnlich äußert, demonstrieren Julian Warner und Oliver Zahn in einer Kundgebung am Bahnhof. «Junge Mädchen sind von der Straße weggeschleppt worden, um der bestialischen Wollust afrikanischer Wilder zu dienen», steht auf Flugblättern gegen die französische Besetzung des Rheinlands nach dem Ersten Weltkrieg. Ist der Islam also gar nicht schuld? Die Vermutung verstärkt sich, wenn man sich im «Blind Date Islam» (konzipiert von Antje Schupp) von echten Muslimen in die große, lichtblaue, ungeahnt zugängliche Ehrenfelder Moschee führen lässt – oder über die kollektive sexuelle Belästigung als Protest-Unterdrückungsinstrument in Ägypten ebenso spricht wie über die neueste feministische Literatur aus arabischen Ländern. Dass die Übergriffe der Silvesternacht im Islam begründet liegen sollen – das erscheint hier auf einmal sehr weit weg.
Die fünf Säulen des Islam
Den Islam erfahren wollten auch Markus und Markus in ihrer Forschungsexpedition «Zwischen den Säulen». Mit sonnig-naiver Schwiegersohn-Attitüde legen sie alle Ironie beiseite und begeben sich auf eine Reise zu sich selbst entlang der fünf Säulen des Islam; eher bemüht wirken die Rückkoppelungen ans Theater: Zu Beginn wird pathetisch Goethes «West-östlicher Divan» zitiert, Peter Brooks tiefe Ergriffenheit von schiitischen Passionsspielen betont. Tief ergriffen erscheinen auch bald die beiden Performer: In einem leuchtenden Brunnen waschen sie sich zeremoniell, rollen Gebetsteppiche aus, geben Arabisch-Unterricht. Immer stärker tönt und klingt es auf der Bühne, tost eine Windmaschine, braust die spirituell-kitschige Überwältigungsmusik, während auf der Videoleinwand die Stationen der Reise sichtbar werden – kurz vor der Konvertierung von einem bayerischen Imam werden Kuhglocken eingespielt, um die Reiseatmosphäre auch lebensecht nachfühlbar zu machen. Beim Glaubensbekenntnis schluchzt Performer Markus Schäfer hemmungslos. Als sie uns mitnehmen auf die Pilgerreise nach Mekka, wo die Massen konzentrisch um den schwarzen Kubus kreisen, der «aussieht wie mit Fotoshop ins Bild gesetzt», scheinen sie in jenem Tiefenerlebnis angekommen, das sie vorher höchstens ironisch analysieren wollten. Oder doch nicht? Immerhin hat sich der Imam, «zum Regisseur geworden», geweigert, den eigentlichen Vorgang der Konvertierung abzufilmen. Wie weit die beiden also wirklich gegangen sind, bleibt ihr kokett gehütetes Geheimnis. Es ist eine wohltuend andere, persönliche und sinnsuchende Haltung, wenn sie offen zugeben, nicht zu wissen, «als was wir erzählen», eine tiefe, ernste Verortung jenseit von hysterischen Diskursen – aber ein wenig zu pädagogisch war die Islamstunde dann doch auch.
Doch Selbstbefragung steht hoch im Kurs in der Szene, dafür ist bei Haiko Pfosts Impulsen auch stets die «Akademie» zuständig, die diesmal im Ringlokschuppen in Mülheim an der Ruhr stattfindet. Um Strategien gegen den Rechtsruck geht es im ersten Wochenende, dann aber doch meist eher um die (erschreckenden) Bestandsaufnahmen osteuropäischer oder südamerikanischer Künstler, um am Ende in die allgemeine Feststellung zu zerfasern, dass das deutschsprachige System trotz allen wachsenden Angriffen von rechts doch extrem privilegiert – aber eben viel zu homogen und zu wenig divers sei.
Politik oder Kunst?
Das gilt interessanterweise übrigens nicht für Opernbühnen. In kaum einem Bühnenformat treten heutzutage selbstverständlicher schwarze Darsteller auf – was auf seltsame Art den rassistisch konnotierten Inhalten etwa einer «Madama Butterfly» widerspricht, wo sich die arme, vom Westler sitzengelassene Asiatin am Ende umbringt. Allerdings ist die Geschichte dieser Farbenblindheit noch jung: Erst 1978 wurde in Bayreuth eine männliche Hauptrolle mit einem schwarzen Sänger besetzt, 1955 sang die erste Schwarze in der Metropolitan Oper. Während die Zuschauer in «White Limozeen» (Johannes Müller und Philine Rinnert) in einem Raum zwischen Instrumenten, Mikros und Teppichinseln herumstehen, erzählt die Sopranistin Sarai Cole, wie einst nur ihre weniger schwarz aussehende Halbschwester zum Kinderchor gelassen wurde, und schmettert kurz darauf eine gewaltige Puccini-Arie, denn dass die «Butterfly» farbenblind besetzt wird, ist mittlerweile gängige Praxis. Die Percussionistin Sabrina Ma dagegen geht herum und taucht die Porzellanpüppchen auf Podesten in verschiedene Farben, nachdem sie sich darüber beklagt hat, als Japanerin für eine Chinesin gehalten zu werden.
Trotz der spannenden Gegensätzlichkeit von gängiger Praxis und Inhalt ist der Abend abstrakt und unterkomplex zugleich; so ganz ist es nicht zu verstehen, wie er es in die Auswahl der besten freien Produktionen schaffen konnte. Geht es also bei den «Impulsen» nicht doch manchmal mehr um möglichst politische Inhalte und weniger um die Kunst?
Der Verdacht ist auch nicht ganz auszuräumen, wenn die Gruppe «Chicks» Düsseldorfs ehemals größte öffentliche Toilette, jahrelang ein Cruising Hotspot der Schwulenszene, in den «Garden of Chicks» verwandelt. Von der geschlechtlich uneindeutigen Einlassperson – lange Haare, Brüste, Schnurrbart – mit einem Wodka locker gemacht, setzen wir uns auf Bierbänke und können den weiteren Eintritt mit etwas albernen Trinkspielen erkämpfen. Die Räume riechen noch recht streng nach Urin, sind aber mit Samt und Kissen in kuschelige Separés verwandelt worden. Dort können wir dann interaktiv unser Fantasie-Geschlechtsteil vom Nachbarn designen lassen oder uns selbst in fluide glitzernde Mischwesen verwandeln – das wirkt ein wenig wie die lustige, fröhliche, aber auch ein wenig unterkomplex pflichtschuldige Huldigung an den Genderdiskurs, ehe es, rasend schnell, weitergeht im dichten «Impulse»-Programm.
Und dann wieder ist das Festival so scharf kuratiert, ergänzen sich Arbeiten sinnstiftend und erhellend um Tiefenschichten. So etwa während des Eröffnungsabends. Schön gruselig gefrieren da die Tanzmariechen der Stadttanzgarde bei der Arbeit «Witness» der israelischen Choreografin Reut Shemesh aus Köln zu normierten Soldatinnen des Karneval-Frohsinns: blonde Plastikzöpfe, Glitzerröckchen, gefrorenes Dauerlächeln. Klug hat Shemesh die zementierten Rituale beobachtet und geringfügig verfremdet. Und da wirkt das Armkreiseln auf einmal bedrohlich, die Pirouetten roboterhaft, das Dauerlächeln unheimlich in seiner maschinellen Puppenhaftigkeit. Spannend ist es, wie der Gardetanz an seine militärischen Wurzeln zurückgeführt wird und zugleich noch ein deutsches Frauenbild hinterfragt, das für immer auf die blonde, normierte Schlankheit festgefroren scheint.
Dann ist es auch nicht mehr weit zu jenem deutschen Volkssport des Turnens, den Friedrich Ludwig Jahn einst in einem Geheimbund, später dann in riesigen Schaufesten erfand, die bis heute gefeiert werden. Im «Zweiten Versuch über das Turnen» vom Kollektiv Hauptaktion, das u.a. auch der Kulturanthropologe Julian Warner leitet, führen acht Darsteller in grauglänzenden Turnanzügen ein Schauturnen auf, strecken, dehnen, beugen sich: Bewerber für die Zugehörigkeit zum deutschen Volkskörper. Symmetrisch und synchron soll er agieren – und wer mit zu viel Abweichungen stört, muss gehen. Eine strenge Jurorin verkündet vom Bühnenrand, wer sich am perfektesten durch die schweißtreibende Übungsfolge gekämpft hat. Immer wieder löst sich ein Turner-Performer aus der Gruppe und erzählt vom Bühnenrand den historischen Kontext, vom Körperkult der Nazis zur Ertüchtigung des arischen Herrenmenschen bis hin zur Erziehungsmaßnahme in afrikanischen Kolonien.
Grandios auch, wie sich «Great Depressions» von Jan Philipp Stange und «Happyology – Tears of Joy» von Dragana Bulut ergänzen. In einem archaisch felsigen Neandertal, mit Tierfell und Keule, ein riesiges Mammut schaukelt tröstlich im Hintergrund vorbei, spricht der Performer Malte Scholz von der eigenen Depression und über die Frage, ob man aus den Produktionszwängen des heutigen Lebens nicht einfach mal aussteigen kann. Man spürt in Scholz’ Augen die absolute Wahrhaftigkeit dieser Frage, sie erhebt die Krankheit sofort in größere gesellschaftliche Zusammenhänge – das ist so stark und traurig, dass die tragische Geschichte um seinen Bruder nicht mehr nötig ist, ein Zuviel an persönlicher Information, die das Fassungsvermögen einer Bühne übersteigt. Und einfach groß, wenn man bei Dragana Bulut drei Glücks-Coaches zuhören kann, die mit lieblichen Stimmen Tipps zur Selbstoptimierung geben – Ausatmen, Schokolade, Gymnastik – und im Schwarzlicht dann die monströse Seite des Glücksversprechens aufscheinen lassen, in dem Buluts Gesicht auf einmal zur gruseligen Fratze wird.
Die Impulse 2019 haben also erneut Grenzen und Tiefen des Theaters ausgetestet – und waren so, selbst in ihren scheinbar persönlichsten Formaten, ein ausnehmend politisches Festival. Bis hin zum kleinsten Raum: Die «Brause», einer der letzten alternativen Kunstorte der Hochglanzstadt Düsseldorf, durfte für die Impulse zum letzten Mal genutzt werden, zum Barbecue nach dem Theater oder zur Abstimmung darüber, ob die Gräser in der «Wiener Volksherrschaft im Garten» von «Club Real» überleben durften: Eine Volksversammlung, in der alle Lebewesen eine Stimme hatten; jeder durfte mitabstimmen. Doch die Gräser kamen nicht durch mit ihrer Klage, tagelang neigte sich die Waagschale zu ihren Ungunsten. Denn wenn die Mehrheit kippt, kann das Theater es auch nicht mehr richten.
Theater heute August/September 2019
Rubrik: Festivals, Seite 17
von Dorothea Marcus
Hamlets längster Monolog dauert gute 25 Minuten und ist weitgehend stumm: Er kommt dabei von den ganz großen Fragen – «Was ist der Mensch?» – schnell auf seine ganz besondere Frage – «Wie steh ich da?» – und auf sein ganz spezielles Dilemma: «Der Vater umgebracht, beschmutzt die Mutter, Verstand und Blut aufs Äußerste gereizt – und rühr mich nicht.» Und dann steht Sandra Hüller...
Öffnen Sie keine Türen (könnte gefährlich sein)! Sprechen Sie keine Leute in blassgrünen Kitteln an (alle in ihre Arbeit vertieft)! Verhalten Sie sich leise (das Haus ist immer auf Sendung)! Das sind so die Benimmregeln, die der Theatermacher Thom Luz für den szenischen Rundgang namens «Radio Requiem» im stillgelegten Sendestudio auf dem Basler Hausberg, dem Bruderholz, vorgibt.
Wobei...
Figuren:
Svenja Hospizclown, Guter Mensch
Der Don Svenjas klassistische Abspaltung
Püppi Älteste Hospizpatientin. Zäh wie Rindsleder
Aram Dienstleistungsproletariat
Anmerkungen:
1.) Unterstrich – bedeutet der Don fährt in Svenja und spricht durch sie
2.) // – bedeutet Jumpcuts in den Vlogs
3.) Arams Akzent ist im Text ausgeschrieben, möge aber als Mittel maßvoll eingesetzt oder vernachlässigt...