Frequenzen im Extrembereich

Andrea Schwieter über Anna Papst «Die Gottesanbeterin»

Theater heute - Logo

Gottesanbeterinnen (lat. Mantodea), auch Fangschrecken genannt, sind ganz erstaunliche Tiere. Sie verfügen über die Gabe, langanhaltend reglos in jener aus Men­schensicht betend wirkenden Haltung auszuharren, um dann im entscheidenden Augenblick mit einem präzisen Fangapparat Insekten aus der Luft zu fangen. Sie sind äußerst gut getarnt und dadurch leicht etwa mit einem hellgrünen Blatt zu verwechseln.

Und: Neben einem ausgeprägten Sehsinn verfügen einige Arten auch über ein zwischen den Hinterhüften liegendes Hörorgan, das sie dazu befähigt, Frequenzen in Extrembereichen wahrzunehmen – bestimmte Gottesanbeterinnen vermögen also Geräusche und Töne zu hören, welche die meisten anderen Tiere nicht wahrnehmen können.

Auch die Titelfigur in Anna Papsts neuem Stück «Die Gottesanbeterin» hört und sieht mehr als andere. Rita hat Gott gesehen und seine Stimme gehört. Und sie hat die Gabe, die Menschen zu erreichen – durch ihre Gebete heilt sie Verletzte, Kranke, Farbenblinde, sie verschafft verzweifelt Arbeitssuchenden einen Job, ein­samen Herzen den Traumpartner, Paaren mit Kinderwunsch das langersehnte Babyglück.

Nach dem Vorbild der Comunidade Shalom in Brasilien, wo über 4.000 Menschen ...

Weiterlesen mit dem digitalen Monats-Abo

Sie sind bereits Abonnent von Theater heute? Loggen Sie sich hier ein
  • Alle Theater-heute-Artikel online lesen
  • Zugang zur Theater-heute-App und zum ePaper
  • Lesegenuss auf allen Endgeräten
  • Zugang zum Onlinearchiv von Theater heute

Sie können alle Vorteile des Abos
sofort nutzen

Digital-Abo testen

Theater heute Jahrbuch 2012
Rubrik: Die neuen Stücke der Spielzeit, Seite 164
von Andrea Schwieter

Weitere Beiträge
Das Visier immer oben

Du, Bibiana, bist ein streitbarer Geist, von einer enormen Wachheit und Aufmerksamkeit und einer großen Bereitschaft zum Mitdenken, so dass man sich als Regisseur bis zur Premiere und darüber hinaus in einem Gespräch mit Dir befindet, in dem Lob wie eine unstatthafte Unterbrechung der gemeinsamen Arbeit wirken würde. Lob hat ja immer auch etwas Gefährliches, weil...

Sprung in der Erinnerung

Ein alter Mann und ein Mädchen begegnen sich in einer Bar. George, der sehnsüchtige Trinker, erliegt dem Blick der jungen Leila, der in seinen Augen die andere Seite der Welt erreicht. Die Amour fou nimmt ihren Lauf: Leila will weit weg gehen – und bei ihm liegen bleiben. Sie ist eine Prinzessin für George, die Möglichkeit, neu zu beginnen, aber vor allem der...

Schweine im Gottes-Staat

David Mamet sorgte 2008 mit einem Artikel, den er unter dem etwas reißerischen Ti­tel «Why I Am No Longer a Brain-Dead-Liberal» im New Yorker Magazin «The Village Voice» veröffentlichte, für Furore. Er sagte sich darin von der idealistischen Linken los, für die er sich ein Leben lang eingesetzt hatte, und machte sich für die Argumente der Vertreter des neoliberalen...