Festival: Grelle Nischen

Das Live-Art-Festival Hamburg trotzt Corona auf Kampnagel und besinnt sich auf seine Anfänge

Kaum ist man auf dem Friedhof Père Lachaise angekommen, kaum hat man sich, vorbei an einem leise plätschernden Brunnen, dem Grab von Jim Morrison genähert, tritt einem schon ein Mann mit Bauchladen entgegen. Er bietet Kerzen, Fotos und Jim-Morrison-Feuerzeuge – händisch mit einem Papier-Konterfei des 1971 verstorbenen «The Doors»-Sänger umklebt – zum Kauf. Einige Kerzen fackeln bereits am Grabstein, und bereitwillig zahlt man den überteuerten Preis und reiht sich ein in eine ferngesteuerte Gedenk- und Kultminute. Das Grab von Oscar Wilde liegt nur ein paar Schritte entfernt.

Doch dort ist nur noch Zeit für ein schnelles Foto, dann geht es weiter.

Der Reiseleiter, ein schlaksiger junger Mann mit hellgelbem T-Shirt, ruft zum Aufbruch. Schließlich warten noch einige Stationen auf dieser besonderen Reise, die das Wiener Performance-Kollektiv God’s Entertainment im Rahmen des Live-Art-Festivals auf Kampnagel ausgerichtet hat. Sarajevo, Prag und New York und Burkina Faso (an diesem Abend wird der Europa-Begriff recht weit gefasst) hat man da schon absolviert. Amsterdam, Barcelona, Rom, Venedig, Palmyra und Wien werden folgen. Überall warten detailreiche Arrangements – wild umwachsene ...

Weiterlesen mit dem digitalen Monats-Abo

Sie sind bereits Abonnent von Theater heute? Loggen Sie sich hier ein
  • Alle Theater-heute-Artikel online lesen
  • Zugang zur Theater-heute-App und zum ePaper
  • Lesegenuss auf allen Endgeräten
  • Zugang zum Onlinearchiv von Theater heute

Sie können alle Vorteile des Abos
sofort nutzen

Digital-Abo testen

Theater heute August/September 2020
Rubrik: Magazin, Seite 69
von Katrin Ullmann

Weitere Beiträge
W-Fragen und Spiegelblicke

Kurz vor Spielzeitende geht doch noch mal was – und die Münchner Kammerspiele, die im rasanten Schlussspurt von Matthias Lilienthals zunehmend erfolgreicher Intendanz vom Virus so abrupt ausgebremst worden waren, sind schon am ersten Tag nach der Corona-Zwangspause gleich mit zwei pandemietauglichen Premieren am Start, deren Probenbeginn noch vor der Krise lag und...

Die maskierte Gesellschaft

Der Kampf mit einem «unsichtbaren Feind» (Zitat u.a. Angela Merkel) bringt uns alle in Lebenssituationen, die gleichermaßen ungewohnt wie ungemütlich sind, und so fremdeln wir alle – mehr oder weniger elegant, mehr oder weniger gekonnt – mit dem «neuen Normal» der (Post-)Corona-Realität. Sichtbares Accessoire dieses Kampfes, gewissermaßen Signum der eigenen...

Wörter statt Zahlen

«Die Zeit friert», schreibt Aglaja Veteranyi («Wörter statt Möbel», «Der gesunde Menschenversand», 2018). Die Tage ziehen sich in die Länge, sind doch viel zu kurz und fließen ineinander. Wer weiß schon, ob heute Montag ist oder Dienstag? So vieles Gewohntes gibt es plötzlich nicht mehr zu tun, so vieles Ungewohntes gibt es plötzlich zu tun.

Ein Stapel Bücher will...