Feier des Durchwurstelns
Ist es Zufall oder hat es eine tiefere Bedeutung? Wenn in Avignon im Papstpalast Tschechow auf dem Programm steht, bekommt der Ehrenhof ein neues Outfit. Zu seiner 75. Ausgabe hat sich das Festival (und die Stadt Avignon und das Departement Vaucluse) eine neue Bühne und eine schicke neue Bestuhlung im Palais des Papes geleistet: 1947 ziemlich bequeme, relativ weit auseinander liegende Sitze aus Tropenholz, die sich auch farblich mit diskreter Eleganz in das Renaissancegemäuer einfügen. Wie nachhaltig das exotische Holz ist, ließ sich nicht eruieren.
Es ersetzt die roten und grauen Plastik-Flechtsessel der vergangenen zwanzig Jahre, in denen es aber auch immer angenehm geknirscht hat. 2002, als diese neu waren, gab es «Platonow» in der Cour d’Honneur, jetzt einen «Kirschgarten».
Die Geschichte der Sitzplatzzahlen spiegelt eine Geschichte der Theaterästhetiken. In den revolutionären Anfangsjahren verteilte Festivalgründer Jean Vilar als Gegenentwurf zu Plüschlogen und Hochglanzparkett 1500 Gartenstühle im sandigen Hof. Dann kamen die Zuschauer; dann die opulenten Bühnen. 1967 wurden für Maurice Béjart 3150 Zuschauerplätze gebaut. 1982 wurden sie für Ariane Mnouchkine um tausend ...
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Theater heute Oktober 2021
Rubrik: Magazin, Seite 59
von Andreas Klaeui
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Vucko war eine coole Socke. Das von Jože Trobec entworfene Maskottchen der Olympischen Winterspiele 1984 im damals jugoslawischen Sarajevo stellte einen Wolf dar, der bei den Fernsehübertragungen der Wettkämpfe in ohrenbetäubendes «Sarajevouuuuu»-Geheul ausbrach, nicht wirklich niedlich, aber auf interessante Weise zwiespältig, hintergründig grinsend, mit...
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