Düsseldorf: Elektroschrottwildnis

Wilson nach Kipling «Dschungelbuch»

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Das Findelkind Mowgli wächst bei den Wölfen auf – und findet später bei den Menschen auch kein Glück. Ein bedauernswertes Zwischending ist der berühmte Dschungeljunge, Held eines der bekanntesten Jugendbücher weltweit. Weder Mensch noch Tier, weder wild noch dressiert, ohne echte Heimat und Familie – ein Wesen, das in der Natur einzig durch Cleverness und die «natürliche» geistige Überlegenheit des Menschen existieren kann. Erst bringt er den Tieren das Feuer, «die rote Blume», dann tötet er am Ende den Tiger, um selbst zum «Herren des Dschungels» zu werden.

Ungebrochen fortschrittsgläubig entwarf sein Erschaffer Rudyard Kipling, einer der ganz großen unreflektierten Kolonialisten der Weltliteratur (unter anderem von Boris Johnsons verrufenem Lieblingsgedicht «Die Bürde des weißen Mannes») im Jahr 1894/95 die Fabel vom Sieg der «Zivilisation» gegen die «Wildnis». 

Das könnte in Zeiten von Dekolonisierungsdebatten, Klima- und Artensterben einigen Konfliktstoff bieten. Dass sich der auf Lebenszeit als legendärer texanischer Theaterzauberer gelabelte Robert Wilson um diesen nicht groß kümmert, steht zu erwarten, wenn er das «Dschungelbuch» am Schauspielhaus Düsseldorf mit dem Popduo ...

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Theater heute Februar 2020
Rubrik: Chronik, Seite 57
von Dorothea Marcus

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