Die Würde, ich zu sagen

An den Münchner Kammerspielen begeben sich Julie van den Berghe mit Kafka und Sebastian Nübling mit drei Frauenfilmen in die Tiefen des Prekariats

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Glotzt nicht so romantisch!», hat Brecht seinen Prekariatsstücken als Aufforderung ans Publikum mitgegeben und es mit V-Effekten wie Brecht-Gardine oder Songs um die rühr­selige Identifikation gebracht. Wenn ein in der Regel gut verdienendes Publikum z.B. auf der Bühne der Münchner Kammerspiele das Leben der Anderen betrachtet, schleicht sich schnell der peinliche Beigeschmack von Zoobesuch ein. Karin Beier hat das vor ein paar Jahren in Köln radikal thematisiert: Sie setzte «Die Schmut­zigen, die Hässlichen und die Gemeinen» hinter Glas wie in eine Vitrine.

Die junge belgische Regisseurin Julie van den Berghe und Sebastian Nübling, die die Saisoneröffnung der Münchner Kammer­spiele mit gleich zwei Ausflügen ganz nach unten fortführten, haben sich ihre eigenen Gedanken gemacht, wie dem Zooblick zu entgehen wäre.

Kafka im Elvis-Amerika

Einen Weg in die neue Welt, der ein Weg ins Abseits wird, sucht Franz Kafkas naiver Held Karl Roßmann in seinem Roman «Der Verschollene», den sich Julie van den Berghe in der Spielhalle vorgenommen hat. Lange hieß das zwischen 1911 und 1914 entstandene und 1927 posthum veröffentlichte Romanfragment wie von Max Brod gewünscht «Amerika», ein Titel, für ...

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Theater heute Dezember 2013
Rubrik: Starts/Aufführungen, Seite 24
von Barbara Burckhardt

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