Die letzte Bastion

Thomas Melle porträtiert in «Das leichte Leben» ein Ehepaar seiner Zeit

Theater heute - Logo

Traut sitzt die Familie vorm Fernseher. Die Gesichter im «geschmackvoll ausgeleuchtet(en)» Wohnzimmer illuminiert «wie auf einem Gemälde von Bellini», erwartet sie den Ehemann beziehungsweise Vater – Jan – auf dem Flatscreen, und zwar in seiner Premierenrolle als Boulevardmoderator: Kathrin mit entsprechender Gattinnen-Nervosität («Wie würde ihr Mann sich präsentieren?»), die Teenager-Kinder Lale und Severin wie «bleiche Marionetten» in die «Sitzecke» gequetscht.

Zwar weiß man in dieser Eingangsszene des neuen Romans von Thomas Melle noch nichts von der Swingerparty in der Cineasten-Peergroup, zu der Kathrin einige Seiten später aufbrechen wird. Und man kennt auch die anonymen Nachrichten noch nicht, die alsbald auf Jans Handy aufploppen. Fest aber steht bereits hier: Es kann nur bergab gehen. Und zwar steil.

Natürlich ist «Das leichte Leben» nicht der erste Text, der das Kulturmilieu unserer Gesellschaft der Singularitäten unter die Lupe nimmt, auch nicht der erste von Thomas Melle. Und zweifellos besitzen die abstiegsbegleitenden Topoi, derer er sich bedient, ebenfalls längst Klassiker-Status: innereheliches Sex-Ende nebst außerehelicher -Anbahnungsfantasien, Affären (ja, auch ...

Weiterlesen mit dem digitalen Monats-Abo

Sie sind bereits Abonnent von Theater heute? Loggen Sie sich hier ein
  • Alle Theater-heute-Artikel online lesen
  • Zugang zur Theater-heute-App und zum ePaper
  • Lesegenuss auf allen Endgeräten
  • Zugang zum Onlinearchiv von Theater heute

Sie können alle Vorteile des Abos
sofort nutzen

Digital-Abo testen

Theater heute März 2023
Rubrik: Magazin, Seite 67
von Christine Wahl

Weitere Beiträge
Sistas! Nach «Drei Schwestern» von Anton Tschechow

ROLLEN
Olivia, die älteste Schwester
Masha, die mittlere Schwester
Ivy, die jüngste Schwester
Andrew, der Vater der Schwestern
Natty, die Nachbarin der Schwestern
Soo Jin, die Pianistin

WOHNUNG/BÜHNE:
Wohnzimmer einer Berliner Altbauwohnung mit Parkett, Stuck, die Fenster gehen auf einen Garten hinaus, in dem Birken stehen. Im Zimmer steht ein Klavier/Flügel. Die...

«Ich sehe aus wie ein Dramaturg»

Seit einigen Wochen bin ich auf einer Zeitreise, gehe gedanklich zurück an meine Anfänge als Dramaturgin und erlebe die Jahre in Dresden aus dem Rückblick. Mein langjähriger Chefdramaturg und Intendant Dieter Görne ist gestorben. Meine Trauer ist groß.

Groß ist auch das Erbe, das er hinterlassen hat. Mir und anderen. Davon will ich erzählen. Ich durchforste...

Ausgestorben und doch ganz lebendig

Rosmarie widerfährt etwas, dem manche Menschen sich täglich hingeben, während andere ein Leben lang darauf warten, es möge doch bitte geschehen. Sie verliebt sich Knall auf Fall in ein Wesen, das ihre Mutter und die Schwestern sofort auf die Abschussliste setzen. Dabei singt das Ding so schön, dass Rosmarie trotz ihres Panzers ganz weich wird: «Ich schlängle...