Bloß nicht nachdenken

Lutz Hübner, Sarah Nemitz «Der Haken» (U), «Die fünf Leben der Irmgard Keun» (U) im Schauspiel Bonn/Düsseldorf

Theater heute - Logo

Die Tür klemmt, fliegt dann mit einem Ruck auf, ein Knäuel Personen poltert in die leere Altbauwohnung, die Letzte bleibt mit ihrer Handtasche am Türknauf hängen.

Huch! In der ersten Sekunde ist eigentlich alles klar über diesen Abend, «Der Haken», uraufgeführt am Schauspiel Bonn in der Regie von Roland Riebeling: Schauspielerisch sind alle ständig etwas drüber, große Augen, große Gesten, so wie man sich am Theater eine Sitcom vorstellt; Kostüm- und Bühnenbild (Nini von Selzam, Tom Musch) sind auf biedere Art witzig, Beispiel Schranktür, die wiederholt aufspringt und den Blick auf gehortetes Klopapier freigibt; die überschaubare Handlung kombiniert kalkuliert ein Aufregerthema, hier die Wohnungsnot, mit möglichst vielen Boulevardelementen.

Der größte Haken in der Storyline ist nicht der pflegebedürftige alte Vermieter der Wohnung, die im Stück von Sarah Nemitz und Lutz Hübner 110 Minuten lang besichtig wird. Sondern dass hier Menschen über den Wohnungsmarkt schreiben, die, so scheint es, lange keine Wohnung mehr suchen mussten. Anders ist schwer zu erklären, mit welcher Arroganz und Penetranz die Interessent:innen den nerdigen Vokuhila-Neffen des Vermieters mit Fragen in die Enge ...

Weiterlesen mit dem digitalen Monats-Abo

Sie sind bereits Abonnent von Theater heute? Loggen Sie sich hier ein
  • Alle Theater-heute-Artikel online lesen
  • Zugang zur Theater-heute-App und zum ePaper
  • Lesegenuss auf allen Endgeräten
  • Zugang zum Onlinearchiv von Theater heute

Sie können alle Vorteile des Abos
sofort nutzen

Digital-Abo testen

Theater heute März 2023
Rubrik: Chronik, Seite 53
von Cornelia Fiedler

Weitere Beiträge
«Ich sehe aus wie ein Dramaturg»

Seit einigen Wochen bin ich auf einer Zeitreise, gehe gedanklich zurück an meine Anfänge als Dramaturgin und erlebe die Jahre in Dresden aus dem Rückblick. Mein langjähriger Chefdramaturg und Intendant Dieter Görne ist gestorben. Meine Trauer ist groß.

Groß ist auch das Erbe, das er hinterlassen hat. Mir und anderen. Davon will ich erzählen. Ich durchforste...

Vergiftetes Erbe

Das Heilwasser ist eine Giftkloake. Ibsens «Volksfeind» kommt immer da zum Einsatz, wo die Theater sich Umweltverschmutzung und ihrer Vertuschung, Fakten und Fake News annehmen wollen. Die Bühnen Bern haben nun ein junges Team einen Blick darauf werfen lassen: den gegenwärtigen Hausautor Dmitrij Gawrisch und die Regisseurin Selen Kara, die ab Herbst Ko-Intendantin...

Practice what you preach?

Bitte nicht schon wieder politisches Theater, das wird die Welt nicht verbessern», meckert die grazile alte Dame in der ersten Reihe. Es ist Geraldine Chaplin, und es ist die Crème de la crème der römischen Upperclass, die sich auf Senecas Landsitz eingefunden hat, um unter freiem Himmel einer Exklusivvorstellung seines Dramas «Thyestes» beizuwohnen, der...