Der richtige Augenblick, bürgerlich zu werden?
Ja, «warum können wir nicht ein Leben lang Kinder bleiben?» Warum nicht einfach stehenbleiben im Zustand nicht der Unschuld, sondern der Ahnungslosigkeit, die von Vergänglichkeit noch nichts weiß und an die Auflösung in der Liebe als Dauerzustand glauben kann? Und in der süßen Verantwortungslosigkeit fürs eigene Leben? Die Frage stellte Ferdinand Bruckner 1926 in seinem spätexpressionistischen Drama «Krankheit der Jugend». Und beantwortet sie ernüchtert: Weil es keinen dritten Weg gibt zwischen Selbstmord und dem Erkennen «des richtigen Augenblicks, bürgerlich zu werden».
Was aber macht eine Jugend, der der Weg in die Bürgerlichkeit versperrt bleibt? Die in einer Gesellschaft lebt, die «dem jungen Menschen den genau gegenteiligen Blick bietet: dass sie bereits ohne ihn komplett ist». Ein Bruckner-Satz von 1944, zitiert im Weimarer Programmheft und unschwer zu übertragen auf die Nachwende-Jugend 2006. Eine prekäre Generation namens Praktikum.
Anatomie der Krankheit Jugend
In Weimar hat der 26-jährige Tilmann Köhler Bruckners selten gespieltes Stück wieder ausgegraben und zur Sezierung freigegeben. Das Spielfeld im E-Werk ist ein fahlblau ausgeleuchtetes Becken, Kampfarena und ...
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