Der Markt regelt nicht alles
Ups & Downs gehören zur Praxis der freien Künste. Vor allem, wenn diese sich auf Wegen der Transformation lange eingeübter Strukturen, Abläufe, Denk- und Arbeitsweisen bewegen. Jetzt aber droht das neue Jahr zu einem abrupten Down, einem verlorenen Jahr für die bundesweit agierenden Freien Darstellenden Künste zu werden, denn die Mittel in der Förderung fallen bundesseitig weit hinter den Bedarf zurück. Dabei braucht es gerade in Krisensituationen unkonventionelles, flexibles Handeln. Nur so können wir Chancen und Perspektiven über den Horizont der Krise hinaus schaffen.
Genau das ist mit den 164 Millionen Euro gelungen, die durch den Fonds Darstellende Künste 2020 bis 2022 in passgenauer För -derung an Freie Künstler:innen vergeben wurden. Nicht durch Zufall, aber zufällig wurde mit dem Fonds ein Seitenplayer zur erfolgreichen Fördereinrichtung. Gemeinsam mit vielen anderen engagierten Akteur:innen auf Landes- und Bundesebene konnte 2020 bis 2022 die längst überfällige Reform der Förderung einer bundesweit, inter- und transnational agierenden Freien Künstler:innen-Szene entworfen und realisiert werden – leider nur für kurze Zeit.
In Krisen zeigen sich jedoch immer auch die Beharrungskräfte des bereits Überholten. Wenn im Bundeshaushalt 2023 die Förderung durch den Fonds Darstellende Künste wieder auf die vorpandemischen zwei Millionen Euro und so weit hinter die bekannten Bedarfe der Freien Szene und jede Politik der Nachhaltigkeit zurückfällt, ist das ein Signal, das Sorgen bereitet. Und es betrifft vor allem die Künstler:innen und Kollektive sowie ihre Publika, die sich in den Wandel involvieren, Erfahrungen teilen, performativ forschen und bundesweit neue Räume des Gemeinsamen schaffen.
Leuchtturm plus Fläche
Die aktuellen Versuche der Bundesregierung, Wandel zu gestalten, sollten wir unterstützen – neues und notwendiges Geld fließt in die großen gesellschaftlichen Themen. Green und Global ist gut – bedeutet allerdings leider noch keine direkte Kunstförderung. Kunst aber ist immer auch bedingungslos. Sie kann gerade deshalb ihrer Zeit als kulturelle und ästhetische Time Machine voraus sein. Dies durch eine möglichst themenoffene, selbstkritische, sich entwickelnde und immer wieder neu öffnende Förderpraxis mit zu ermöglichen, ist eine der wichtigsten Aufgaben des Fonds.
Die Künste und gerade die Freien Künste haben nicht zuletzt wegen dieser Freiheit der Kunst bereits vor Jahren heute aktuelle Themen wie das der Nachhaltigkeit bearbeitet. Müsste es jetzt nicht auch darum gehen, in den komplexen Formen des Transnationalen und Translokalen Themenschwerpunkte der Bundeskultur für das Jahr 2035 aufzuzeigen und ins Spiel zu bringen? Denn die Gesellschaft braucht progressive Versuche, Fragen und Antworten des Miteinanders, die noch nicht Common Sense sind: Zum Beispiel für neue Demokratie-Entwürfe jenseits der Nation oder für wirklich fortschrittliche demokratische, partizipative und engagierte Ästhetiken.
Es gibt keine Garantie für unser Handeln in der Veränderung, genauso wenig wie für ein Gelingen in der Kunst. Und letztendlich können viele gar nicht anders, als verändernd und offen arbeiten, leben, denken. Aber: Der Markt allein regelt das nicht. Auch deshalb gilt es, die Prozesse der gesellschaftlichen Transformation mit und in den Freien Darstellenden Künsten substanziell weiter zu fördern. Wenn eine erfolgreiche Freie Performance-Gruppe beispielsweise in Hessen, NRW, Sachsen und Hamburg produziert oder die internationalen Koproduktionen einer Choreografin bundesweit in ländlichen Regionen auf Tour gehen – dann macht es wenig Sinn, weiterhin förderpolitisch allein ein Bundesland oder gar ausschließlich eine Kommune in die Pflicht zu nehmen. Vielmehr ist in diesen Fällen der Bund in der Verantwortung für eine bundesweit agierende Szene in all ihrer Diversität und Breite. Vielleicht müssen wir bundeskulturpolitisch die Verbindungen zwischen Leuchtturm und Fläche neu an der Freien Szene lernen.
Die Freie Szene hat nicht das eine Haus, den einen Ort oder das eine Festival von zentraler Bedeutung, aber ihre Modelle stammen eben auch nicht aus dem 18. oder 19. Jahrhundert, sondern entsprechen den dezentralen Formen der Arbeit, des Sich-Versammelns und auch des digitalen Forschens an der Gegenwart. So lernen die Künst -ler:innen der Freien Szene mit den Ups & Downs auch immer ein wenig den Spaß an der Achterbahnfahrt, an der Lust und Liebe zur Bewegung, am bewegt Sein und bewegt Werden. Und so verbindet sich die Lust am Moment, dem Hier und Jetzt sowie der Offenheit der Künste. Politik und Förderung müssen dafür Sorge tragen, dass aus der Achterbahnfahrt kein freier Fall wird.
HOLGER BERGMANN, Geschäftsführer des Fonds Darstellende Künste
Theater heute 1 2023
Rubrik: Kolumne, Seite 71
von Holger Bergmann
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