Widerstand made in Germany

Mit dem neuen Format «Remmidemmi» ist das Heidelberger Theater einmal mehr ein Festival-Hotspot. Zehn Uraufführungen und die Frage, was es mit dem Widerstand heute auf sich hat

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Im Mai 1972 machte die Rote Armee Fraktion unmissverständlich klar, dass sie nicht nur Banken, sondern auch Sprengstoff kann. Sie bombte sich mit sechs Anschlägen ins Bewusstsein der westlichen Wertegemeinschaft, einer der Anschläge galt dem Hauptquartier der United States Army Europe and Seventh Army (USAREUR). Auf einem Parkplatz des Headquarter, in dem die Einsätze der Army im fernen Vietnam koordiniert worden sein sollen, detonierten zwei Autobomben. Drei US-Soldaten kamen ums Leben, fünf wurden schwer verletzt.

Ob in den Reihen des Heidelberger Sozialistischen Patientenkollektivs die Korken knallten, lässt sich heute genauso wenig belegen wie die smarte Fantasie, Richard Nixon habe anlässlich des USA-REUR-Anschlags eine Beendigung des Vietnamkriegs in Erwägung gezogen. Sicher ist, dass die Heidelberger Aktivisten einer antikapitalistischen Psychiatrie zum Netzwerk der RAF gehörten. Mit den militanten Kolleginnen an der Terrorfront hatten sie gemein, dass sie vorgaben, für die existentiellen Rechte anderer einzutreten. Am Ende waren sie selbst existentiell gemeint, Stichwort «Berufsverbot», während Baader & Co. in Stammheim grübelten, wie es sein konnte, dass die Brüder und ...

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Theater heute 1 2023
Rubrik: Festivals, Seite 42
von Jürgen Berger

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