Wokeness und Wachsamkeit
Sogar die «BILD»-Zeitung ist begeistert und aktiviert Platz für eine Theaterrezension. Es ist ja auch wirklich zu komisch, wie der Wokeness mal so richtig schenkelklopfend der Prozess gemacht wird in der Molière-Überschreibung von Plinio Bachmann und Barbara Sommer am Schauspiel Köln. Höchst achtsam, spiegelnd, grenzwahrend und niemanden emotional erpressend sitzt da die Hofgesellschaft im Stuhlkreis in ihrem Safe Space um die heruntergekommene Chaiselongue des «Eingebildeten Kranken» Argan.
Der Tod (Musiker Radek Stawarz) ist zwar lauernd anwesend im Krankheitsszenario, hält sich aber diskret geigend zurück.
Molières letztes Stück – bei einer der Aufführungen verstarb er bekanntlich spektakulär mitten auf der Bühne – ist schon immer eine pikante Grenzüberschreitung gewesen, eine für alle sichtbare Parodie auf den gewinnbringend real zu Tode kurierten Sonnenkönig Ludwig XIV. Das Humorpotential von Argans kapitalistisch ausgebeuteten Darmflatulenzen hat die Jahrhunderte überdauert. Vom Autorenteam wird es nun bravourös zeitgenössisch verkalauert («Man muss die Exkremente feiern, wie sie fallen»), und tatsächlich ist es extrem witzig und unterhaltsam, den gepuderten, bepuffärmelten ...
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Theater heute 1 2023
Rubrik: Chronik, Seite 59
von Dorothea Marcus
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Darf man mit jemandem Sex haben, auf dessen Nachtkästchen ein Exemplar von «Mein Kampf» liegt? Und ist es umgekehrt okay, nicht mit einem Typen zu schlafen, obwohl der so freundlich war, einem die halbe Wohnung auszumalen? Mit solchen Fragen beschäftigt sich die amerikanische Autorin Patty Kim Hamilton in «Sex Play», ihrem ersten im deutschsprachigen Raum...
Die Zeit scheint einen Augenblick stillzustehen im rasanten Lauf der Ereignisse: wenn Sylvana Krappatsch als Annette aus ihrem Schatten heraustritt, ihm sachte zuwinkt, dann mit kleinen, aber kräftigen Flatterbewegungen abzuheben, ja, einen winzigen Moment über dem Boden zu schweben scheint, als ziehe sie eine unsichtbare Hand am Schlafittchen nach oben – um sie...