Das Regime der Kreativität
Wenn es einen Wunsch gibt, der innerhalb der Gegenwartskultur die Grenzen des Verstehbaren sprengt, dann wäre es der, nicht kreativ sein zu wollen. Dies gilt für Individuen ebenso wie für Institutionen. Nicht kreativ sein zu können, ist eine problematische, aber eventuell zu heilende und mit geduldigem Training zu überwindende Schwäche.
Aber nicht kreativ sein zu wollen, kreative Potenziale bewusst ungenutzt zu lassen, gar nicht erst schöpferisch Neues aus sich hervorbringen oder zulassen zu wollen, erscheint als ein absurder Wunsch, so wie es zu anderen Zeiten die Absicht gewesen sein mag, nicht moralisch, nicht normal oder nicht autonom zu sein. Wie könnte ein Individuum oder eine Institution, ja, eine ganze Gesellschaft das nicht wollen, was scheinbar natürlich in ihr angelegt ist, wohin es oder sie natürlicherweise strebt: zur kreativen Selbsttransformation?
Welche außergewöhnliche Relevanz der Kreativität als individuelles und soziales Phänomen in unserer Gegenwart zugeschrieben wird, lässt sich an Richard Floridas programmatischer Studie «The Rise of the Creative Class» aus dem Jahr 2000 ablesen. Florida zufolge ist die zentrale Transformation, die sich in den westlichen ...
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Theater heute Jahrbuch 2012
Rubrik: Das Theater mit der Kreativität, Seite 34
von Andreas Reckwitz
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