Das Leben geht bis zum Tod
Es war 1998 in einer lauen Mainacht. Die Kastanienallee, damals noch hippe Ausgehmeile am Prenzlauer Berg, hatte sich zwischen drei und vier Uhr morgens geleert und lag still in der Morgendämmerung. Nur in der Volksbühnennebenspielstätte Prater kämpfte Christoph Schlingensief gegen den Schlaf seiner Gäste im «Hotel Prora», einer Wahlkampfstation seiner sehr realen Kunstpartei «Chance 2000».
Das vom Gehandicapten-Ensemble als künstlerische ABM-Maßnahme bewirtschaftete Indoor-Igluzeltlager hatte sich in den Nachtstunden in ein Survivalcamp verwandelt: Schlingensief war vom charmant moderierenden Hoteldirektor zum militanten Entertainer mutiert, der mit Brüllarien durchs Megafon und bis zum Anschlag aufgedrehter Musikanlage seinem Publikum systematisch den Glauben an das Gute im Künstler austrieb.
Der erweiterte Theaterbegriff
Solche zwischen Spaß und Terror changierenden Auftritte waren in den letzten Jahren selten geworden. Jetzt, wo sich Schlingensiefs Schweigen so verdammt laut anhört, ist diese Nacht im Prater wieder präsent: Weil das Einreißen der Grenze zwischen Kunst und Leben im Schlafentzug brutal spürbar wurde, weil der Maniac Schlingensief sich selbst keine Sekunde lang ...
Weiterlesen mit dem digitalen Monats-Abo
Sie sind bereits Abonnent von Theater heute? Loggen Sie sich hier ein

- Alle Theater-heute-Artikel online lesen
- Zugang zur Theater-heute-App und zum ePaper
- Lesegenuss auf allen Endgeräten
- Zugang zum Onlinearchiv von Theater heute
Sie können alle Vorteile des Abos
sofort nutzen
Das Leben ein Traum – was sonst?» Mit dieser Neubetitelung hat der Regisseur Jürgen Kruse eine Klammer geschaffen zwischen Calderóns barocker Tragikomödie «Das Leben, ein Traum» und dem Kleistschen «Prinzen von Homburg» in der Regie von Peter Stein, dessen Assistent Kruse einst war. «Ein Traum – was sonst?» heißt die scheinbar versöhnliche und zugleich tief...
Ein alter Mann sitzt in einem Olivenhain und schimpft. Peter Stein in Umbrien? Nein, Ödipus auf Kolonos. 13 Jahre nach seinem Zerwürfnis mit dem damaligen Intendanten Gerard Mortier kehrte der frühere Schauspieldirektor Stein zurück nach Salzburg. In der seit Steins Zeiten von den Festspielen genutzten
Halle auf der Halleiner Perner-Insel inszenierte er «Ödipus...
Ladies first! In London war Lucy Prebble, 29, im letzten Jahr ein Shootingstar: Ihr Stück «Enron», das im Untergang des texanischen Energie-Konzerns 2001 jene Zockermentalität und Gier skizziert, die auch zur letzten Finanzkrise führte, schaffte den Sprung vom Royal Court ins kommerzielle Westend, wo es bis heute läuft. Die deutschsprachige Erstaufführung hat...