Wir Egomonster
Die U-Bahn ist der neue Underground. Jedenfalls in den jüngsten Bühnenbildern des serbischen Szenografen Aleksandar Denic, der Frank Castorf schon für sein Jahrhunderte überspannendes «Faust»-Paris den Eingang der Metrostation «Stalingrad» nachgebaut hat. Diesmal geht es auf der Bühne des Hamburger Schauspielhauses unterhalb eines riesigen «Camel»-Billboards in die New Yorker Subway. Unten fährt jedoch kein Zug ab; hier wird den Besitzenden ordentlich eingeheizt.
In einer der merkwürdigsten Szenen dieser gleich drei Dramen von Eugene O’Neill umfassenden Inszenierung schippt Lilith Stangenbergs Mildred, die schneeweiße «rrrich bitch» vom Oberdeck, zwecks authentischer Einfühlung ins Proletariat in einem Dampfschiff-Kesselraum Kohle – und zwar splitternackt. Obwohl sie schon vorher nur einen glitzernden Tanga-Bikini trug, ist ihr anscheinend so warm geworden, dass sie sich lieber ganz auszieht.
Wir befinden uns kurz vor der Pause des fünfstündigen Abends nicht etwa in einem Experimental-Porno der 1970er Jahre, sondern im zweiten Drama aus der expressionistischen Phase des amerikanischen Tragödiendichters. «Der haarige Affe» (1922) spielt zu einem beträchtlichen Teil im Bauch eines ...
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Theater heute April 2018
Rubrik: Aufführungen, Seite 12
von Eva Behrendt
Neue Stücke
Kein Sex ist, wenn die Statistiken nicht lügen, der neueste Erotiktrend aus Japan. 60 bis 70 Prozent der Bevölkerung zwischen 20 und 35 lebt gerne allein und abstinent, Sex in der Ehe gilt
als überbewertet, und am liebsten heiraten Japanerinnen sich selbst. Der Regisseur Toshiki Okada entwickelt aus dieser spannenden Spannungslosigkeit ein Stück für die...
Den Segen für seine Unterwerfung holt sich François direkt bei Edith Piaf ab: «Je ne regrette rien» lässt er den Spatz von Paris trällern, während er über seine Zukunft in der islamischen Republik Frankreich sinniert, über seine Aussichten auf eine äußerst gut bezahlte Dozentenstelle an der Sorbonne und auf drei Ehefrauen, gipfelnd in seinem Fazit: «Ich hätte...
Ein Schwein rast durch Brüssel. Es ist nicht sicher, ob es ein Einzelschwein ist oder eine ganze Herde, noch nicht einmal, ob es das Schwein wirklich gibt oder ob es nicht doch ein Phantomschwein ist. Aber es wirbelt Europas «Hauptstadt» im buchpreisgekrönten Roman von Robert Menasse gehörig auf – im Verbund mit einer Reihe weiterer mehr oder weniger durch- und...
