Überleben in der Kunst
Selten so einen gründlich desillusionierten Odysseus gesehen: Die fahlen Furchen im unrasierten Gesicht von Jörg Pose erzählen nichts von griechischer Größe, sondern nur von Müdigkeit, Entbehrung und einer Sorte von Gedanken, die sich ausschließlich noch mit dem Überleben beschäftigt. Der Körper in seiner grobgepixelten Fantasie-Militärkluft steht zwar gerade, wirkt aber trotzdem hängeschultrig schlaff, die Schritte sind mehr ein energiesparendes Schleichen als aufrechte Fortbewegung.
Und dann die Stimme: Kaum eine Spur mehr von Satzmelodie, stattdessen unerbittliches Raunen auf einem Ton, das Heiner Müllers Blankvers in emotionslos dahinratterndes Schlussfolgerungswesen überträgt. Die penibel eingehaltenen Zeilensprünge wirken wie erste unmerkliche Absencen. Dieser Mensch ist zur Maschine geworden – und er hat nicht den geringsten Spaß daran.
Heiner Müllers «Philoktet» ist ein funkelnder Edelstein der Ausweglosigkeit. Geschrieben auf den Höhen des Kalten Kriegs, zu Beginn der 60er Jahre des letzten Jahrhunderts in der frühen, poststalinistischen DDR, entwirft er eine skrupellose Welt, in der das Überleben des Staates alles rechtfertigt. Die Griechen unter Odysseus haben den ...
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Theater heute Dezember 2019
Rubrik: Aufführungen, Seite 12
von Franz Wille
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