Theatrale Ausnahmezustände
Und natürlich könnte ich hier jetzt mit großer Geste die Utopie eines Theaters des Verzichts proklamieren. Was braucht es denn mehr als die paar Bretter, die die Welt bedeuten, und ein paar Leute, zur Not auch Lai:innen, die sich da rauf stellen, um uns hier unten zu belustigen. Wir packen ein paar Kostüme auf den Leiterwagen und ziehen los, ganz wie in alten Zeiten. Ja … naja. Die Wahrheit ist, je länger ich darüber nachdenke, was man denn weglassen könnte, ohne dass dabei zu viel des Ganzen verloren geht, desto mehr komme ich drauf, dass ich auf nichts verzichten will.
Nicht auf das Licht oder den Ton, nicht auf den Samtvorhang oder die Kantine, nicht auf die Kostümschneide -reien oder den Jugendklub, nicht auf die Marketingabteilung oder die Mettbrötchen, nicht auf die Probebühne oder das Klopersonal, nicht auf den Kristallluster oder die Kompar -serie. Das alles ist unverzichtbar. Das alles ist Teil dieses herrlich verschwenderischen Akts, den wir Theater nennen. Das Theater verzichtet einfach nicht gern. Obwohl es den Mangel liebt, das Fehlen, ja sogar den Hunger. Aber aus freien Stücken zu verzichten? Nein danke. Der Verzicht als die Positivierung dieses Mangels, als ...
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Theater heute Jahrbuch 2023
Rubrik: Verzicht, Seite 70
von Ferdinand Schmal
Was für ein wirklich eigenartiger Beruf ist das überhaupt: Theaterleitung? Er steckt voller kaum aufzulösender Widersprüche und ist mit einer Reihe von Zuschreibungen belastet: sehr hohen bis überhöhten Erwartungen, aber auch harter Kritik bis hin zu direkter Ablehnung. Natürlich sind Theaterleitungsprobleme nicht abgekoppelt von der Art des Betriebs und dessen...
Die gute Nachricht ist: Es wird wieder über Kritik diskutiert. Im letzten Jahr bei zahlreichen, oft prominent besetzten Veranstaltungen wie dem Kongress «Die Zukunft der Kritik», veranstaltet von Bundeskunsthalle Bonn und Akademie der Künste Berlin, heftiger und öffentlichkeitswirksamer noch angesichts der Hannoveraner «Causa Goecke». Diese Diskussionen sind auch...
Zuallererst ist da ein Haus. Ein Konstrukt. Ein System. Es beherbergt un -sere Geschichten. Manches erzählt es, vieles versteckt es. Man muss die Verstecke finden, um alle Geschichten zu entdecken. Nicht nur die, die beim ersten Anblick offenbar werden. Sondern auch die, die wir zunächst übersehen haben. Denn tief im Boden schlummern und grummeln sie.
Sivan Ben...