Striche peitschen durch das Buch

Die Münchner Kammerspiele dramatisieren sich ihren Spielplan: Lars-Ole Walburg lässt Orhan Pamuks «Schnee» nachspielen, und Sebastian Nübling findet viel Spaß in Mathieu Kassovitz’ «Hass»

Madame Bovary ist die Frau eines Landarztes und ein Buch. Und weil es Flaubert geschrieben hat, wurde es ein unübertrefflicher Roman. Chabrol machte daraus einen recht guten Film mit Isabelle Huppert, denn die «Bovary» besteht nicht nur aus Stil, sondern auch aus Story. Diese klamme Liebesgeschichte eignet sich durchaus für ein Ballett, einen Film, ein Ölbild, was auch immer.

Es heißt dann «Emma» oder «Schicksal einer Gattin», man schaut sich’s an und sagt hernach: «Aber jetzt lesen Sie mal Flaubert!»

Die Kino-Industrie hat seit je die Literatur verfilmt, mit mehr oder weniger Geschick und Erfolg, der stets dann am größten war, wenn die Vorlage lediglich gut erzählt, der Filmregisseur jedoch ein Künstlergenie war (Buñuel zum Beispiel, Kubrick und Hitchcock). Im Kino wachsen Stimmungen, Bedrohung, Trost, Furcht, Zorn durch Musik, Großaufnahmen, Farben, Schnitt – und im Theater? Es ist – wer hätte das gedacht – der Dialog, das Wort, worauf es ankommt; und wie diese Worte vorgetragen werden; und Malgrund mit Rahmen zählen auch.

Daher muss das Theater, will es eine Erzählung aufführen, entweder expressive Bilder auf die Bühne schmeißen, ein Stimmungsmaler-Chaos, das (mit Blut und ...

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Theater heute April 2008
Rubrik: Aufführungen, Seite 18
von Michael Skasa

Vergriffen
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