Projektionen, Projektionen

Am Münchner Residenztheater hat Tilmann Köhler Roland Schimmelpfennigs «Der Riss durch die Welt» uraufgeführt und Bastian Kraft Wedekinds «Lulu» gendergerecht wiederbelebt, während Leonie Böhm an den Kammerspielen «Die Räuberinnen» sehr frei nach Schiller von der Leine lässt

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Man sitzt auf rotem Samt im Cuvilliéstheater, feinstes Rokoko aus dem 18. Jahrhundert, vorrevolutionär versteht sich, als Fürsten die Kunst gern noch zum Spiegel ihrer Herrlichkeit erklärten. Auf der Bühne vorn an der Rampe aufgereiht vier rote Polsterstühle wie in den Logen, dahinter schwebt eine dunkle Wand, mindestens fünf mal fünf Meter, aus zusammengeschweißten Platten, wuchtig karg und dekorativ zugleich.

 

«Der Riss durch die Welt» heißt das Auftrags­werk, mit dem sich der Uraufführungsreigen zu Beginn der Intendanz von Andreas Beck am Münchner Residenztheater fortsetzt. Tatsächlich ist es die alte Kluft zwischen Reich und Arm, privilegiert und ausgeschlossen, die sich durch die Eskalation der multiplen globalen Krisenlage nur noch verschärft, die Abschottung und die tödlichen Grenzen, über die auch Kunst keine Brücken bauen kann, weil sie in Teilen zumindest immer auch Teil des Systems ist. Roland Schimmelpfennig hat dazu nach bewährter Methode Gegenwartskonfliktpotenzial mit archaischer Erzählung – hier kein Mythos, sondern passend zum Klimawandel die zehn biblischen Plagen – kurzgeschlossen und ein Konversationssetting konstruiert, in dem zwei Paare unterschiedlichen ...

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Theater heute Januar 2020
Rubrik: Aufführungen, Seite 6
von Silvia Stammen

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