Professor von Herrn Hitlers Gnaden

Der «Fall Knudsen» und die Anfänge der Theaterwissenschaft – Vorabdruck aus der diesen Monat erscheinenden Studie «Wissenschaft aus Gefolgschaft»

In den Jahren des Frankfurter Auschwitz-Prozesses (1963–1965), des umfangreichsten und bedeutsamsten NS-Prozesses, der nach 1945 vor einem bundesdeutschen Gericht geführt wurde, erschien eine fünfbändige Dokumentensammlung des deutschpolnischen Historikers und Auschwitz-Überlebenden Joseph Wulf, die erstmals auf breiter Basis die Rolle von Intellektuellen und Künstler:innen im Dritten Reich offenlegte.

1 Während in Frankfurt vor den Augen der Weltöffentlichkeit über Täterschaft und Mittäterschaft am Völkermord verhandelt wurde, brachte Wulf zahllose Zeugnisse des kulturellen Innenlebens der braunen Diktatur an die Öffentlichkeit. Auf breiter Quellenbasis und mit langen Werkauszügen wurde von ihm der Opportunismus und die Dienstfertigkeit von Geistesarbeiter:innen mittleren Ranges belegt. Damit fiel Licht auf Verhaltensweisen, die, wenngleich nicht justiziabel, für das gesellschaftliche Funktionieren des verbrecherischen Staates unabdingbar waren. Mit der Arbeitsmethode der Dokumentation, dem Sammeln, Sichten, Ordnen und Publizieren von für wichtig, charakteristisch oder besonders sprechend gehaltenen Quellen, hoffte Wulf, der Geschichtsverdrängung und Schuldverleugnung der ...

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Theater heute November 2023
Rubrik: Theatergeschichte, Seite 48
von Jan Lazardzig

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