Professor von Herrn Hitlers Gnaden
In den Jahren des Frankfurter Auschwitz-Prozesses (1963–1965), des umfangreichsten und bedeutsamsten NS-Prozesses, der nach 1945 vor einem bundesdeutschen Gericht geführt wurde, erschien eine fünfbändige Dokumentensammlung des deutschpolnischen Historikers und Auschwitz-Überlebenden Joseph Wulf, die erstmals auf breiter Basis die Rolle von Intellektuellen und Künstler:innen im Dritten Reich offenlegte.
1 Während in Frankfurt vor den Augen der Weltöffentlichkeit über Täterschaft und Mittäterschaft am Völkermord verhandelt wurde, brachte Wulf zahllose Zeugnisse des kulturellen Innenlebens der braunen Diktatur an die Öffentlichkeit. Auf breiter Quellenbasis und mit langen Werkauszügen wurde von ihm der Opportunismus und die Dienstfertigkeit von Geistesarbeiter:innen mittleren Ranges belegt. Damit fiel Licht auf Verhaltensweisen, die, wenngleich nicht justiziabel, für das gesellschaftliche Funktionieren des verbrecherischen Staates unabdingbar waren. Mit der Arbeitsmethode der Dokumentation, dem Sammeln, Sichten, Ordnen und Publizieren von für wichtig, charakteristisch oder besonders sprechend gehaltenen Quellen, hoffte Wulf, der Geschichtsverdrängung und Schuldverleugnung der ...
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Theater heute November 2023
Rubrik: Theatergeschichte, Seite 48
von Jan Lazardzig
Das Theater blickt zurück ins Publikum. Sewan Latchinian hat eine Sitzreihe an die Rampe der Hamburger Kammerspiele gestellt, und da nehmen Nina Kronjäger und Stephan Benson Platz, freuen sich auf den Theaterabend und schauen in den Saal: Keine Distanz zwischen Bühne und Zuschauer:innen, was denen hier oben passiert, passiert auch uns da unten.
Latchinian,...
Was für ein Entree! Der erste Satz der Intendanz Kay Voges’ am Wiener Volkstheater lautete: «Was, hier, in dieser muffigen Atmosphäre?» Es ist der Satz, mit dem Thomas Bernhards Stück «Der Theatermacher» beginnt, und der Satz, mit dem einst auch Claus Peymann seine Direktion am Burgtheater angefangen hatte. Ein Insiderwitz, den in Wien alle verstanden haben; ist ja...
Hauptsächlich im Boulevard gibt es das hübsche Untergenre der Hinterbühnenkomödie. Der Alltag im Theater wird hier zum Thema, mit all den kleinen Dramen zwischen Probe und Aufführung, mit Liebschaften und Verletzungen, manchmal auch mit unspektakulärer Ödnis. Und wenn die Hinterbühnenkomödie raffiniert ist, dann schafft sie es, das Geschehen hinter der Bühne mit...
