Nationaltheater mit Akzent
Vorworte von Spielzeitheften sind meist ähnlich spannend wie das Wort zum Sonntag. Das erste von Martin Kušej verantwortete Spielzeitheft des Burgtheaters aber beginnt mit einem Text, der sich wie ein programmatisches Manifest liest. Darin heißt es: «Das Burgtheater wird sich fortan und endgültig nicht mehr als ‹teutsches Nationaltheater› begreifen, das nur in einer Zunge spricht und nur auf einem Ohr hört.» Um zu verstehen, was damit gemeint ist, braucht es einen kleinen Exkurs in die Geschichte des Burgtheaters – und zwar bis ganz zurück an den Ursprung der Institution.
Als Gründungsdatum des Burgtheaters gilt der 23. März 1776. Damals verfügte Joseph II., dass das bis dahin privat betriebene «Theater nächst der Burg» ab sofort vom Hof verwaltet und finanziert werden solle; beiläufig ist in dem Schreiben von einem «teutschen Nationaltheater» die Rede. Gemeint war damit schlicht, dass auf der Bühne Deutsch gesprochen werden sollte; vorher hatten sich deutschsprachige Schauspieltruppen mit französischen und italienischen abgewechselt. Die Bühnensprache wurde am Burgtheater seither nicht mehr ernsthaft hinterfragt, der Begriff Nationaltheater aber hat sich bis heute erhalten. «Das ...
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Rückblickend wirkt es fast idyllisch, was der Soziologe Heinz Bude im Jahr 2010 zusammen mit dem damals noch von Armin Petras geleiteten Gorki Theater auf halber Strecke zwischen Hamburg und Berlin in Wittenberge herausgefunden haben. Drei Jahre lang hatte ein Team aus Wissenschaftlern und Theaterleuten das brandenburgische Mittelstädtchen beforscht auf der Suche...