München: Totalschaden im Retro-Stil
Nicht nur Fliegen wäre schöner, sondern auch schon ein Sonntagsausflug, bei dem nicht nachträglich die Biergartenzeche bis auf den Pfennig nachgerechnet würde. Dabei hat Otto «Mensch» Meier seine Träume ohnehin schon auf Miniaturformat geschrumpft, wenn er nachts im Hobbykeller an seinen Modellflugzeugen bastelt.
Tagsüber ist er für 14 Schrauben am neuen BMW-Modell zuständig, und die Familienlebensqualität mit Frau und Sohn hat das kritische Stadium erreicht, wo weitere Verbesserung unwahrscheinlich, Verschlechterung nicht ausgeschlossen und der Status quo – Resultat jahrzehntelanger Selbstverleugnung am Fließband bzw. in Haushalt und Ehebett – kaum noch auszuhalten ist. Es ist die angstgraue Seite der wilden Siebziger, die Franz Xaver Kroetz in seiner Milieu-Skizze «Mensch Meier» aus dem Jahr 1976 sarkastisch aufs Korn nahm und die David Bösch jetzt im Marstall des Münchner Residenztheaters als Vorstufe zur heutigen Wohlstandsdepression noch einmal mit viel Liebe und Fleiß in Szene setzt.
Die Bühne (Patrick Bannwart) beherrscht ein Schrankwandungetüm, in Resopal gegossene Aufstiegssehnsucht, darin regalbretterweise rührende Versuche, der genormten Wohnödnis dennoch so etwas wie ...
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Theater heute März 2016
Rubrik: Chronik, Seite 59
von Silvia Stammen
Die Jugendstilbühne der Münchner Kammerspiele liegt in tiefem Nebel. Von goldgelbem Licht durchglühte Trockeneisschwaden dampfen aus der Nebelmaschine. Auch der Nieselregen vom Theaterhimmel sowie die federleichten Felsbrocken und Grasbüschel, die fünf hemdsärmelige Arbeiter in diesem hochwandigen Museumsmagazin bereits ausgiebig von vorne nach hinten geräumt...
Ich bin auch nur ein Arschloch», outete sich Milo Rau unlängst in der Schweizer «Sonntagszeitung». Der Grund, in Kürze: Unser aller eurozentristische Betroffenheitskultur – vulgo: Mitleid – angesichts der weltpolitischen Lage verschiebe real zu führende Debatten in symbolische Entlastungsräume und mache uns somit zu «zynischen Humanisten».
Knackige, aber korrekte...
Wie ist es möglich, im Theater angesichts der drängenden ungelösten Probleme in der Welt noch künstlerische Freiheit zu behaupten? Ohne, so müsste man hinzusetzen, dass dies auf Freiheit von Realität und Verantwortung hinausläuft? Es steht die Befürchtung im Raum, dass politisches und soziales Engagement das Theater dümmer und schwächer machen, als es ist. Wenn...