Mord im Burgfrieden

Das Staatstheater Nürnberg streamt die Uraufführung von Philipp Löhles «Isola»

Theater heute - Logo

Ob wir uns in einem neuen Biedermeier befinden, sei einmal dahingestellt. Immerhin sprechen Soziologen und Psychologen davon, dass der Rückzug in die eigenen vier Wände, zu dem gerade viele Menschen aus Angst vor Ansteckung mit dem Virus und überhaupt aus Furcht vor dem Nächsten als potenziellem Gefahrenträger neigen, an die Mitte des 19. Jahrhunderts erinnert: Der arme Poet von Spitzweg liegt da wie in Quarantäne, und die Familien im trauten Heim zwischen Spitzendeckchen und Butzenscheiben igeln sich ein wie im Lockdown.

Wenn der Dramatiker Philipp Löhle ankündigt, sein neues Stück «Isola», das jetzt als Theaterfilm des Nürnberger Staatsschauspiels seine Uraufführung digital erlebte, spiele zur Zeit des Biedermeier, dann ist man darauf gefasst, dass die vergangene bleierne Zeit uns Heutigen zeigen soll, es sei alles schon mal dagewesen. Tatsächlich erscheint im ersten Bild auch ein Insektenforscher (natürlich Ambrosius mit Namen), der über Verpuppung, also: Isolation sinniert und mit künstlich angestaubter Sprache an den alten Linné erinnert. Und das Interieur, in dem sich dann eine Gesellschaft (paritätisch besetzt mit Politiker, Esoterikerin, Wissenschaftlerin und gemeinem ...

Weiterlesen mit dem digitalen Monats-Abo

Sie sind bereits Abonnent von Theater heute? Loggen Sie sich hier ein
  • Alle Theater-heute-Artikel online lesen
  • Zugang zur Theater-heute-App und zum ePaper
  • Lesegenuss auf allen Endgeräten
  • Zugang zum Onlinearchiv von Theater heute

Sie können alle Vorteile des Abos
sofort nutzen

Digital-Abo testen

Theater heute April 2021
Rubrik: Aufführungen, Seite 54
von Bernd Noack

Weitere Beiträge
Im politischen Raum

Theater heute Gratulation zur Wahl des Präsidenten des Deutschen Bühnenvereins! Das ist eine sehr spannende Position, weil Sie damit auch institutionell zwischen den Stühlen sitzen. Denn der Bühnenverein ist einerseits die Versammlung der Rechtsträger der Bühnen, also der Länder und Kommunen, die die öffentlichen Theater tragen und zum Großteil auch finanzieren....

Theaterbuch:Die erste Pause

Ertappt. Nach über 200 Seiten, die sich angenehm lesen, weil die Autor*innen so oft recht haben, so menschenfreundlich sind und so reflektiert, platziert der Dramatiker Jörg Albrecht einen kleinen fiesen Treffer direkt in die Magengrube. Genauer: dorthin, wo das schlechte Gewissen wohnt. In seinem Beitrag, der den Band «Lernen aus dem Lockdown? Nachdenken über...

Bücher: Der westliche Blick

Das Buch «Spiel-Zeiten und Spiel-Räume des Theaters in Europas Osten» von Wolfgang Kröplin, der in Dresden und Leipzig als Dramaturg und Dozent für Dramaturgie und Kulturwissenschaften tätig war, erhebt den Anspruch einer Suche nach Spuren des im Westen nur wenig bekannten Theaters im Osten. Im Ergebnis ist es aber eine Spurensicherung des modernen revolutionären...