Kreisen um die schwarzen Löcher

Das argentinische Off-Theater verarbeitet die Spuren der Diktatur – zum Beispiel in Jürgen Bergers dokumentarischem Familiendrama «Elsa»

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Womöglich hätte Jürgen Berger, Kritiker, Autor dieser Zeitschrift und Theatertreffen-Juror aus dem Badischen, sein erstes aufgeführtes Theaterstück gar nicht geschrieben, wenn er nicht monatelang geglaubt hätte, für den Dramatiker und Regisseur Armin Petras zu recherchieren. Gemeinsam mit dem Gorki-Intendanten war der Journalist vergan­genes Jahr in Buenos Aires der 80-jährigen Ellen Wolf begegnet, als sie in der schwarzen Komödie «La Omision de la familia Coleman» die Großmutter spielte.

Als die Männer die hellwache und gänzlich undivenhafte alte Dame nach der Vorstellung trafen, witterten sie Theaterstoff. In langen Gesprächen entlockte Berger dann der deutsch-jüdischen Argentinierin ihre bewegte Familiengeschichte.

Bis heute legt Ellen Wolf sich regelmäßig auf die Couch, und das vermutlich nicht nur, weil in Buenos Aires die Psychoanalytikerdichte so hoch wie sonst nirgends ist. Als Sechsjährige musste sie 1933 auf der Flucht vor den Nazis mit ihrer Familie aus Stuttgart über die Schweiz nach Argentinien auswandern. Jahrzehnte später, 1977, entführt und ermordet die Junta dort ihre älteste Tochter, die gerade 21 und Mutter geworden war. Ellen fährt den Entführern noch todesmutig ...

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Theater heute Oktober 2008
Rubrik: Magazin, Seite 56
von Eva Behrendt

Vergriffen
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