Jugend mit und ohne Gott
Das Theater und die katholische Kirche haben vieles gemeinsam. Beide Institutionen versprechen moralischen Beistand und seelische Reinigung, beide haben trotzdem mit Publikumsschwund zu kämpfen. Während die Kirche dem aufgeklärten Bürger zu dogmatisch ist, verhält es sich mit dem Theater genau umgekehrt: Das «Anything Goes» der zeitgenössischen Bühnensprache wird von konservativen Theaterfreunden als Dekadenzerscheinung verteufelt.
In einer solchen Situation ist es ein interessanter Ansatz, wenn sich Theater und Kirche in der Mitte treffen.
Eine Woche vor Ostern hat das Berliner Maxim Gorki Theater die Stadt mit Plakaten für ein Stück namens «Die Gottlosen» zugepflastert, auf dem folgender Satz von Jean-Luc Godard zitiert wird: «Die Zeit ist derart bedürftig geworden, dass sie nicht mehr in der Lage ist zu erkennen, das Fehlen Gottes als Fehlen zu erkennen.» Unter den Premierenbesuchern, die sich zu ungewöhnlich früher Stunde (Beginn 18 Uhr) vor dem Theater versammelt haben, befinden sich offensichtlich auch Menschen, die normalerweise eher die Kirche frequentieren. «Ich bin mit Schwester Lütgen hier!», verkündet einer. Ein anderer bedankt sich bei seinem Begleiter dafür, dass ...
Weiterlesen mit dem digitalen Monats-Abo
Sie sind bereits Abonnent von Theater heute? Loggen Sie sich hier ein

- Alle Theater-heute-Artikel online lesen
- Zugang zur Theater-heute-App und zum ePaper
- Lesegenuss auf allen Endgeräten
- Zugang zum Onlinearchiv von Theater heute
Sie können alle Vorteile des Abos
sofort nutzen
Wie jede gute Fabel lässt sich auch die des nun 50 Jahre alten «Besuchs der alten Dame» in zwei Sätzen wiedergeben. Als junge Frau wurde Klara Wäscher von ihrem Liebhaber geschwängert, in einem Vaterschaftsprozess gelinkt und ins Elend gestoßen. Jahrzehnte später kehrt sie als Claire Zachanassian ins Städtchen Güllen zurück und verspricht der bankrotten Gemeinde...
Maeterlinck», Christoph Marthalers neues Stück am Nationaltheater Gent, wirkt wie das Antidot zu «Winch Only» (TH 8-9/06), das er im letzten Jahr in Brüssel herausbrachte. Beides sind schlaftrunkene Welträtsel aus Melancholie und Absurdität: das Leben ein Traum, das Erwachen ein Witz und dazwischen Musik – Belgien scheint dem Schweizer gut zu tun! Doch wo in...
Wie wär’s mit einer Frauenfantasie? Bitte vorstellen: ein gepflegtes Bordell auf dem Lande, von außen kuscheliger Backstein-Gutshof, von innen hippe Szenebar mit Kristallklunkerlampen, Fototapeten und 70er-Jahre-Plastikwandverschalung. Die Nutten: hübsche, mitunter ziemlich schwul und angegriffen ausschauende Männer. Die Freier: attraktive, strenge, auffällig...