Hybris an der Gü
Wie jede gute Fabel lässt sich auch die des nun 50 Jahre alten «Besuchs der alten Dame» in zwei Sätzen wiedergeben. Als junge Frau wurde Klara Wäscher von ihrem Liebhaber geschwängert, in einem Vaterschaftsprozess gelinkt und ins Elend gestoßen. Jahrzehnte später kehrt sie als Claire Zachanassian ins Städtchen Güllen zurück und verspricht der bankrotten Gemeinde eine Milliarde, wenn diese den Liebhaber von einst tötet – was dann (natürlich) auch geschieht. Oder in einem Satz: «Die Welt machte mich zu einer Hure, nun mache ich sie zu einem Bordell.
»
Güllen ist also die Welt, und die Welt ist – Düsseldorf. Denn eine der verblüffenden Pointen des berühmten Textes von Dürrenmatt besteht in der Erkenntnis, wie leicht dieser sich auf alle möglichen Verhältnisse stülpen lässt, ohne nennenswerten Schaden zu nehmen. Die Kö ist jetzt also die «Gü», der Rhein ist die «Gülle», und die längste Biertheke der Welt wird nicht in Form einer wirklichen Theke, sondern in der eines schmalen Holzstegs auf die Bühne gebracht, welch letztere sich nach Herzenslust dreht und hebt und senkt und deren symbolisches Zentrum eine schnittige Yacht darstellt (Bühne Carola Reuther). Zur hellen Freude des Publikums ...
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Wer selbst beim Theatertreffen jahrelang mitjuriert hat, kennt das Haut-die-Jury-Spiel vom eigenen Buckel. Im Grunde ist es müßig: Denn immer haben sich die Juroren bei ihren verwickelten Entscheidungsprozessen etwas gedacht. Aber manchmal fragt man sich doch: was eigentlich? Warum haben sie sich unter den drei «Orestien» der Saison (Berlin, Leipzig, Frankfurt)...
Eigentlich ist sie schon ganz lange da. Nur so richtig groß aufgefallen, das war sie bisher nicht. Immer wohlwollend erwähnt, nie abgestürzt, sicher eine Stütze des Ensembles, aber nie: ein Star. Judith Hofmann wird demnächst 40. Das würde keiner glauben, der sie nur auf der Bühne sah, aus der sicheren Entfernung des Parketts, geschminkt und in der Rolle...
Maeterlinck», Christoph Marthalers neues Stück am Nationaltheater Gent, wirkt wie das Antidot zu «Winch Only» (TH 8-9/06), das er im letzten Jahr in Brüssel herausbrachte. Beides sind schlaftrunkene Welträtsel aus Melancholie und Absurdität: das Leben ein Traum, das Erwachen ein Witz und dazwischen Musik – Belgien scheint dem Schweizer gut zu tun! Doch wo in...